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Lady Chatterley (German Edition)

Lady Chatterley (German Edition)

Titel: Lady Chatterley (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D. H. Lawrence
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durch den Park lief. Sie mußte den leichten Mantel aufknöpfen.
    Der Wald schwieg, war still und geheimnisvoll im abendlichen Regenschleier, erfüllt vom Rätsel der Eier und halbgeöffneter Knospen, halbenthüllter Blüten. Die Bäume im Dämmer schimmerten nackt und dunkel, als hätten sie sich entkleidet, und alles Grüne am Erdboden schien zu summen vor lauter Grün.
    Es war noch immer niemand auf der Lichtung. Die Küken waren fast alle unters Gefieder der Mutterhennen gekrochen, nur ein paar vereinzelte Abenteurer hüpften noch in der Trockenheit unter dem Strohdach umher. Und sie waren noch unsicher.
    So, er war also noch nicht hier gewesen. Er blieb absichtlich weg. Oder vielleicht war irgend etwas nicht in Ordnung. Vielleicht sollte sie zu seinem Haus gehen und nachsehen.
    Aber sie war zum Warten geboren. Sie schloß mit ihrem Schlüssel die Hütte auf. Alles war sauber. Korn war in die Kiste geschüttet, die Decken lagen gefaltet auf dem Bord, das Stroh säuberlich in einem Winkel; ein frisches Bündel Stroh. Die Sturmlampe hing an einem Nagel. Tisch und Stuhl waren dorthin zurückgesetzt worden, wo sie gelegen hatte.
    Sie setzte sich auf einen Schemel unter die Tür. Wie still alles war! Der feine Regen wehte sanft, wie ein Schleier, vorbei, doch der Wind gab keinen Laut. Nichts gab einen Laut. Die Bäume ragten wie machtvolle Wesen, dämmerig, zwielichtumflossen, schweigend, lebendig. Wie lebendig alles war!
    Die Nacht zog schon herauf; sie würde gehen müssen. Er wich ihr aus.
    Doch plötzlich trat er auf die Lichtung, in seiner schwarzen Ölhaut, wie ein Chauffeur, glänzend vor Nässe. Er streifte die Hütte mit einem flüchtigen Blick, grüßte halb, wandte sich dann zur Seite und ging zu den Brutkästen. Schweigend hockte er dort, kümmerte sich um alles und schloß dann für die Nacht Hennen und Küken sorgsam ein.
    Endlich kam er langsam auf sie zu. Sie saß noch immer auf dem Schemel. Er stand vor ihr unter dem überhängenden Dach.
    «Sie sind also gekommen», sagte er im Tonfall seines Dialekts.
    «Ja», erwiderte sie und sah zu ihm auf. «Sie sind spät.»
    «Hm», sagte er und sah fort in den Wald.
    Langsam stand sie auf und zog den Schemel beiseite.
    «Wollten Sie herein?» fragte sie.
    Durchdringend sah er auf sie nieder.
    «Werden die Leute sich nicht was denken, wenn Sie jeden Abend herkommen?» fragte er.
    «Wieso?» Sie sah verständnislos zu ihm auf. «Ich habe doch gesagt, daß ich kommen würde. Niemand weiß es.»
    «Aber sie werden’s bald wissen», erwiderte er, «und was dann?»
    Sie wußte nicht, was sie darauf sagen sollte.
    «Warum sollten sie es erfahren?» fragte sie dann.
    «Die Leute wissen immer alles», sagte er fatalistisch.
    Ihre Lippen zitterten ein wenig.
    «Ich kann’s aber nicht ändern», sagte sie stockend.
    «Doch», entgegnete er, «Sie könnten’s ändern, wenn Sie nicht kämen – wenn Sie das wollen», fügte er in leiserem Ton hinzu.
    «Aber das will ich nicht», murmelte sie.
    Er sah fort in den Wald und schwieg.
    «Aber was ist, wenn die Leute es rauskriegen?» fragte er schließlich. «Denken Sie mal drüber nach! Denken Sie daran, wie erniedrigt Sie sich dann vorkommen – ein Bediensteter von Ihrem Mann!» Sie sah in sein abgewandtes Gesicht.
    «Sagen Sie das», stammelte sie, «sagen Sie das alles, weil Sie mich nicht wollen?»
    «Denken Sie daran», sagte er, «denken Sie daran, was sein wird, wenn die Leute es rauskriegen – Sir Clifford und so –, und alle reden drüber …»
    «Nun, ich kann ja weggehen.»
    «Wohin denn?»
    «Irgendwohin! Ich habe eigenes Geld. Meine Mutter hat mir 20   000 Pfund hinterlassen, und ich weiß, Clifford kann sie nicht anrühren. Ich kann weggehen.»
    «Aber vielleicht wollen Sie gar nicht weggehen.»
    «Doch, doch! Es ist mir gleich, was mit mir geschieht!»
    «Ah, das sagen Sie jetzt! Aber später wird’s Ihnen schon was ausmachen. Es muß Ihnen was ausmachen, daß Ihre Gnaden es mit einem Waldhüter hat. Das ist nicht dasselbe, als wenn ich ein feiner Herr wäre. Doch, es würde Ihnen was ausmachen, es würde Ihnen was ausmachen.»
    «Bestimmt nicht. Was kümmert mich mein Titel! Ich hasse ihn, wirklich. Ich habe das Gefühl, die Leute verspotten mich, jedesmal, wenn sie mich damit anreden. Und Sie tun es auch! Sogar Sie verspotten mich, wenn Sie mich so anreden.»
    «Ich!»
    Zum erstenmal sah er sie voll an, sah er in ihre Augen.
    «Ich verspotte Sie nicht», sagte er.
    Sie sah, daß seine Augen dunkel

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