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Lady Chatterley (German Edition)

Lady Chatterley (German Edition)

Titel: Lady Chatterley (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D. H. Lawrence
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Nach einer Weile setzte er hinzu: «Aber all das andere.»
    «Welches andere?» fragte sie.
    «Sir Clifford. Die andern. All die Komplikationen.»
    «Wieso Komplikationen?» fragte sie enttäuscht.
    «Es ist immer so. Für Sie ebenso wie für mich. Es gibt immer Komplikationen.» Beharrlich schritt er fort durch das Dunkel.
    «Und bereuen Sie es?» fragte sie.
    «In einer Weise», erwiderte er und sah zum Himmel. «Ich dachte, ich hätte das alles hinter mir. Nun habe ich wieder angefangen.»
    «Angefangen – was?»
    «Das Leben.»
    «Das Leben?» echote sie mit seltsamem Erschauern.
    «Das ist das Leben», sagte er. «Man kann sich nicht freimachen davon. Und wenn man sich doch freimacht, kann man ebenso gut sterben. Wenn ich also wieder aufgebrochen werden soll, dann muß es wohl sein.»
    Sie sah es nicht ganz in dieser Weise, aber dennoch …
    «Es ist einfach Liebe», sagte sie fröhlich.
    «Was immer das sein mag.»
    Schweigend gingen sie fort durch den dunkelnden Wald, bis sie kurz vor dem Tor waren.
    «Aber Sie hassen mich nicht, nicht wahr?» fragte sie sehnsüchtig.
    «Nein, nein!» erwiderte er. Und plötzlich hielt er sie wieder an seine Brust gepreßt, mit der alten, verbindenden Leidenschaft. «Nein, für mich war es gut, gut. Und für Sie?»
    «Ja, für mich auch», antwortete sie – nicht ganz ehrlich, denn sie hatte nicht viel gemerkt.
    Er küßte sie sanft, ganz sanft, mit Küssen der Wärme.
    «Wenn es nur nicht so viele andere Menschen auf der Welt gäbe», sagte er traurig.
    Sie lachte. Sie waren am Tor zum Park. Er öffnete es ihr.
    «Ich komme nicht weiter mit», sagte er.
    «Nein.» Und sie streckte die Hand aus, als wolle sie sich verabschieden. Aber er nahm sie in seine beiden Hände.
    «Soll ich wiederkommen?» fragte sie sehnsüchtig.
    «Ja! Ja!»
    Sie trennte sich von ihm und ging durch den Park davon.
    Er blieb zurück und sah ihr nach, wie sie ins Dunkel ging, der Blässe des Horizonts entgegen. Fast mit Bitterkeit sah er ihr nach. Sie hatte ihm, der doch allein hatte sein wollen, seine Bindungslosigkeit genommen. Sie hatte ihn seine bittere Abgeschlossenheit gekostet – die Abgeschlossenheit eines Mannes, der keinen Wunsch mehr hat, als allein zu sein.
    Er wandte sich ins Dunkel des Waldes zurück. Alles war still, der Mond war untergegangen. Doch er nahm die Laute der Nacht wahr, die Maschinen von Stacks Gate, den Verkehr auf der Hauptstraße. Langsam stieg er den abgeholzten Hügel hinauf. Und von seiner Kuppe aus konnte er über das Land sehen – helleuchtende Lichtketten in Stacks Gate, kleinere Lichter an der Tevershaller Grube, die gelben Lichter von Tevershall und Lichter überall, hier und da dem dunklen Land aufgesetzt, und den fernen Feuerschein der Hochöfen, weit weg und rosenfarben, denn die Nacht war klar – den rosenfarbenen Ausflug weißglühenden Metalls. Scharfe, boshafte elektrische Lichter in Stacks Gate. Ein unbestimmbarer Kern des Bösen in ihnen. Und all das angstvolle Unbehagen, das immer wogende Grauen der Industrienacht in den Midlands. Er konnte die Förderwinden von Stacks Gate hören, die die Sieben-Uhr-Arbeiter hinabließen. Die Grube arbeitete in drei Schichten.
    Er ging wieder hinunter in das Dunkel und die Abgeschiedenheit des Waldes. Doch er wußte, daß die Abgeschiedenheit des Waldes trügerisch war. Die Industriegeräusche brachen in die Einsamkeit ein, die grellen Lichter, wenngleich man sie hier nicht sehen konnte, verhöhnten sie. Es war dem Menschen nicht mehr möglich, abgeschieden und zurückgezogen zu leben. Die Welt duldet keine Einsiedler. Und nun hatte er die Frau genommen und war von neuem in den Strudel von Schmerz und Verhängnis gerissen. Denn er wußte aus Erfahrung, was das bedeutete.
    Es war nicht die Schuld einer Frau, nicht einmal die Schuld der Liebe oder des Sexus. Die Schuld war dort, dort draußen, in den bösen elektrischen Lichtern und im teuflischen Rattern der Maschinen. Dort draußen, in der Welt des mechanischen, gierigen, so gierigen Mechanismus, in der mechanisierten Gier, im Sprühen der Lichter, im heißen Strömen des Metalls, im Röhren des Verkehrs, dort lag das ungeheure böse Etwas, bereit, alles zu vernichten, was sich ihm nicht unterwarf. Bald würde es auch den Wald verschlingen, und die Hyazinthen würden nicht mehr knospen. Alles Verletzbare mußte sterben unter der rollenden Flut des Eisens.
    Mit unendlicher Zärtlichkeit dachte er an die Frau. Armes, verlorenes Geschöpf. Sie war so nett, sie wußte

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