Lady Chatterley (German Edition)
Selbst.
Er zog seine Weste und die Joppe an und bahnte sich wieder einen Weg auf den Pfad zurück. Die letzten, waagerecht einfallenden Strahlen der Sonne streiften den Wald. «Ich komme nicht mit», sagte er, «besser nicht.»
Sehnsüchtig sah sie ihn an, bevor sie sich zum Gehen wandte. Sein Hund war begierig darauf, daß sie endlich aufbrächen, und der Mann schien nichts, aber auch gar nichts zu sagen zu haben. Nichts war geblieben.
Langsam ging Connie heim, und die Tiefe dieses anderen in ihr kam ihr zum Bewußtsein. Ein neues Ich war lebendig in ihr, brannte geschmolzen und weich in ihrem Schoß, in ihrem Leib, und mit diesem Ich betete sie ihn an. Sie betete ihn an, daß ihre Knie weich wurden, während sie weiterging. Sie verging in ihrem Schoß, in ihrem Leib, lebte dort, war verwundbar und hilflos in der Anbetung wie die naivste Frau. – Es ist, als fühlte ich ein Kind, sagte sie zu sich, es ist, als fühlte ich ein Kind in mir. – Und so war es – als hätte ihr Schoß, der immer geschlossen war, sich aufgetan und neues Leben in sich hineingenommen –, fast eine Last, und doch war es herrlich.
«Wenn ich ein Kind bekäme!» dachte sie. «Wenn ich ihn in mir trüge als ein Kind!» – und ihre Gliedmaßen schmolzen bei diesem Gedanken, und sie erkannte den unermeßlichen Unterschied, sich selbst ein Kind zu gebären oder einem Mann ein Kind zu gebären, dem man sich mit seinem Innersten entgegensehnte. Das erstere schien gewöhnlich in einer Hinsicht, doch einem Mann ein Kind zu geben, den man im Innersten, im Schoß anbetete, das gab ihr das Gefühl, ein ganz anderer Mensch geworden zu sein, und ihr war, als sinke sie tief, tief auf den Grund allen Weibtums hinab, in den Schlaf der Schöpfung.
Nicht die Leidenschaft war das Neue für sie, sondern die verlangende Anbetung. Sie wußte, sie hatte sie immer gefürchtet, denn sie machte sie hilflos. Sie fürchtete sich noch immer davor, denn wenn sie ihn zu sehr anbetete, würde sie sich verlieren, ausgelöscht werden, und sie wollte nicht ausgelöscht werden, wollte nicht Sklavin werden, wie eine Wilde. Sie durfte nicht zur Sklavin werden. Sie hatte Angst vor ihrer demütigen Hingabe, und dennoch war sie nicht bereit, jetzt dagegen zu kämpfen. Sie wußte, daß sie dagegen kämpfen konnte. Sie hatte einen teuflischen Eigenwillen in sich, der die volle, weiche, drängende Hingabe ihres Schoßes hätte zunichte machen können. Sogar jetzt wäre sie fähig dazu – so dachte sie wenigstens –, und dann könnte sie ihre Leidenschaft aus eigenem Willen wieder aufnehmen.
Ah! Ja! Leidenschaftlich zu sein wie eine Bacchantin, nymphengleich durch die Wälder zu fliehen und Iacchos anzurufen, den strahlenden Phallus, der keiner unabhängigen Persönlichkeit gehörte, sondern ein reiner Gottesdiener für die Frau war! Der Mann, das Individuum – daß er es nicht wage, sich einzudrängen! Er war nur ein Tempeldiener, der Träger und Hüter des leuchtenden Phallus, ihres Eigentums.
So, im Strom eines neuen Erwachens, flammte die alte, harte Leidenschaft eine Zeitlang in ihr, und der Mann schrumpfte zu einem verächtlichen Ding zusammen, zum bloßen Phallusträger, der zerfleischt wurde, wenn er seinen Dienst getan hatte. Sie fühlte die Kraft der Bacchae in ihren Gliedern, in ihrem Leib – der Schimmernden, Reißenden, die den Mann niederwarf. Doch während sie so fühlte, war ihr Herz schwer. Sie wollte es nicht, es war geläufig, es war unfruchtbar, geburtslos; ihr Reichtum war die Hingabe. Sie war so unauslotbar, so weich, so tief, so unbekannt. Nein, nein, sie würde ihre starre, helle, weibliche Macht aufgeben; sie war ihrer müde, verhärtet durch sie; sie würde in das neue Bad des Lebens eintauchen, in die Tiefen ihres Schoßes, ihrer Eingeweide, die das stimmlose Lied ihrer Anbetung sangen. Es war noch zu früh, mit der Furcht vor dem Mann zu beginnen.
«Ich bin nach Marehay hinübergegangen, und ich habe Tee getrunken mit Mrs. Flint», sagte sie zu Clifford. «Ich wollte das Baby sehen. Es ist so wonnig, sein Haar sieht wie rotes Spinnengewebe aus. Süß! Mr. Flint war zum Markt gefahren, und da tranken sie und ich mit dem Baby Tee. Hast du dich schon gewundert, wo ich blieb?»
«Allerdings habe ich mich gewundert, aber ich vermutete, daß du irgendwo zum Tee gewesen bist», erwiderte Clifford eifersüchtig. Wie wenn er mit einem zweiten Gesicht begabt wäre, spürte er etwas Neues an ihr – etwas, das ihm ganz unbegreiflich war, aber er
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