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Lady Chatterley (German Edition)

Lady Chatterley (German Edition)

Titel: Lady Chatterley (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D. H. Lawrence
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goldenen Schatz des Haars …»
    Sie war wie ein Wald, wie das dunkle Gezweig des Eichenwalds, der unhörbar summt von Myriaden sich entfaltender Knospen. Unterdessen schliefen die Vögel der Begierde im weiten, verschlungenen Gezweig ihres Körpers.
    Doch Cliffords Stimme spülte weiter, plätscherte und gurgelte in ungewöhnlichen Lauten. Wie absurd das war! Wie absurd er war, so über das Buch geneigt, wunderlich und raubvogelhaft und kultiviert, mit breiten Schultern und lahmen Beinen! Was für ein merkwürdiges Geschöpf, mit dem harten, kalten, unbeugsamen Willen eines Vogels und ohne Wärme, ganz ohne Wärme! Eines von diesen Wesen der künftigen Zeit, die keine Seele haben, nur einen starrstarren Willen, kalten Willen. Sie erschauerte ein wenig, sie fürchtete sich vor ihm. Andererseits war die sanfte, warme Flamme des Lebens stärker als er, und die wahren Dinge blieben ihm verborgen.
    Das Lesen brach ab. Sie fuhr zusammen. Sie sah auf und fuhr noch mehr zusammen, als sie sah, daß Clifford sie mit blassen, unheimlichen, fast haßerfüllten Augen beobachtete.
    «Ich danke dir sehr! Du liest Racine wunderbar», sagte sie weich.
    «Fast so wunderbar, wie du zuhörst», entgegnete er schneidend. «Was machst du da?» fragte er dann.
    «Ich nähe ein Kinderkleid, für Mrs.   Flints Baby.»
    Er drehte sich um. Ein Kind! Ein Kind! Sie war ganz besessen davon.
    «Immerhin», sagte er deklamatorisch, «gibt Racine einem alles, was man braucht. Empfindungen, die geordnet sind und eine feste Form haben, sind wichtiger als ungeordnete, wirre Empfindungen.»
    Sie sah ihn an mit weiten, verschwommenen, verschleierten Augen.
    «Ja, du hast sicher recht», sagte sie.
    «Die heutige Welt hat die Empfindungen nur herabgewürdigt, dadurch, daß sie ihnen freien Lauf ließ. Was wir brauchen, das ist klassische Beherrschung.»
    «Ja», sagte sie langsam und dachte daran, wie er mit leerem Gesicht dem emotionellen Schwachsinn des Radios lauschte. «Die Leute tun so, als hätten sie Gefühle, und in Wirklichkeit fühlen sie nichts. Ich nehme an, das bedeutet dann ‹romantisch sein›.»
    «Genau», sagte er.
    Er war müde. Dieser Abend hatte ihn müde gemacht. Er hätte sich lieber mit seinen technischen Büchern unterhalten oder mit seinem Grubendirektor oder mit dem Radio.
    Mrs.   Bolton kam herein, mit zwei Gläsern Malzmilch: eines für Clifford, damit er schlief, und eines für Connie, um sie wieder zu Kräften kommen zu lassen. Ein regelmäßiger Nachttrunk war das; Mrs.   Bolton hatte ihn eingeführt.
    Connie war froh, gehen zu können, als sie ihr Glas ausgetrunken hatte, und dankbar, daß sie Clifford nicht ins Bett zu helfen brauchte. Sie stellte sein Glas aufs Tablett, nahm es und trug es hinaus.
    «Gute Nacht, Clifford! Schlaf gut! Der Racine dringt in einen ein wie ein Traum. Gute Nacht!»
    Sie war zur Tür gegangen. Sie ging, ohne ihm einen Kuß zur Nacht zu geben. Mit scharfen, kalten Augen sah er ihr nach. So! Sie küßte ihn also noch nicht einmal zur Nacht, nachdem er einen Abend damit zugebracht hatte, ihr vorzulesen. Abgründige Gefühllosigkeit! Selbst wenn der Kuß nur eine Formalität gewesen wäre – das Leben ist angewiesen auf solche Formalitäten. Sie war wirklich eine Bolschewistin. Ihre Instinkte waren bolschewistisch. Kalt und böse sah er zur Tür, durch die sie gegangen war. Böse!
    Und wieder überfiel ihn das Grauen vor der Nacht. Er war nur noch ein wirres Nervengeflecht, und wenn er nicht in Arbeit eingespannt war und energiegeladen oder wenn er nicht Radio hörte – eine Beschäftigung, die ihn zu einem absoluten Neutrum machte –, dann war er gehetzt von Angst und einem Gefühl gefährlicher, drohender Leere. Er hatte Angst. Und Connie konnte ihm diese Angst fernhalten, wenn sie wollte. Aber es war deutlich, daß sie nicht wollte, nicht wollte. Sie war gefühllos, kalt und gefühllos gegen alles, was er für sie tat. Er gab sein Leben für sie hin, und sie war gefühllos gegen ihn. Sie wollte nur ihre eigenen Wege gehen. «Die Dame liebt ihren Willen.»
    Jetzt war sie vom Gedanken an ein Baby besessen. Aber nur ihr eigenes sollte es sein, ganz allein ihres und nicht seines!
    Clifford war so gesund, wenn man es bedachte. Er sah gut und frisch aus im Gesicht, seine Schultern waren breit und kräftig, sein Brustkorb mächtig, und er hatte Fleisch angesetzt. Und doch, er hatte Angst vor dem Tod. Ein schreckliches Vakuum schien ihn irgendwo, irgendwie zu bedrohen, eine Leere, und in diese

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