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Lady Chatterley (German Edition)

Lady Chatterley (German Edition)

Titel: Lady Chatterley (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D. H. Lawrence
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Leere würde seine Lebenskraft stürzen. Ohne Lebenskraft, hatte er zuzeiten das Gefühl, daß er tot sei, regelrecht tot.
    So hatten seine ziemlich vorgewölbten, blassen Augen also einen sonderbaren Ausdruck – verstohlen und dabei ein wenig grausam und kalt und zugleich fast unverschämt. Das war ein sehr merkwürdiger Blick, dieser unverschämte Blick: als triumphiere er über das Leben trotz des Lebens. «Wer denn kennt das Geheimnis des Willens, der doch triumphieret über die Engel –»
    Das Schlimmste aber waren die Nächte für ihn, wenn er nicht schlafen konnte. Es war furchtbar, wenn ihm von allen Seiten Vernichtung drohte. Grauenhaft war es, zu existieren, ohne zu leben – ohne zu leben, in der Nacht zu existieren.
    Aber jetzt konnte er nach Mrs.   Bolton läuten. Und sie kam immer. Das war ein großer Trost. Sie kam in ihrem Morgenrock herein, das Haar in einem Zopf über den Rücken hängend; seltsam mädchenhaft und verwirrt, obwohl der braune Zopf doch von grauen Strähnen durchzogen war. Und sie machte ihm Kaffee oder Kamillentee und spielte Schach oder Pikett mit ihm. Sie besaß die absonderliche Fähigkeit einer Frau, die selbst dann noch gut Schach spielt, wenn sie zu drei Vierteln schläft – gut genug, daß sie es wert ist, geschlagen zu werden. So saßen sie da, in stillem, nächtlichem Beieinander – oder sie saß, und er lag im Bett –, und die Leselampe hüllte sie beide in ihren einsamen Schein: schlafbefangen die Frau, von Furcht gefangen er, und sie spielten, spielten, tranken dann eine Tasse Kaffee und aßen einen Keks, sprachen kaum in der nächtlichen Stille, waren einander aber doch ein Trost.
    Und in dieser Nacht dachte sie darüber nach, wer Lady Chatterleys Liebhaber sein könnte. Und sie dachte an ihren Ted, der schon so lange tot, für sie aber nie gestorben war. Und während sie an ihn dachte, stieg der alte Groll gegen die Welt wieder in ihr auf, besonders gegen die Herren, daß sie ihn umgebracht hatten. Natürlich hatten sie ihn nicht wirklich umgebracht. Für sie aber hatten sie es doch getan. Und irgendwo, tief in ihrem Innern, war sie deshalb Nihilistin und wirklich anarchisch.
    In ihrem Halbschlaf flossen die Gedanken an Ted und die Gedanken an Lady Chatterleys unbekannten Liebhaber ineinander, und ihr war, als teile sie mit der anderen Frau einen tiefen Groll gegen Sir Clifford und gegen alles, was er repräsentierte. Und gleichzeitig spielte sie Pikett mit ihm – um Sixpence-Stücke. Und es war ein Born der Befriedigung, Pikett zu spielen mit einem Baronet, sogar, Sixpence-Stücke an ihn zu verlieren.
    Wenn sie Karten spielten, spielten sie immer um Geld. Das lenkte ihn ab. Und meistens gewann er. Auch heute nacht hatte er eine Gewinnsträhne. Also würde er nicht schlafen gehen, ehe nicht der Morgen anbrach. Glücklicherweise dämmerte es gegen halb fünf.
    Connie lag in ihrem Bett und schlief fest. Der Heger aber fand auch keine Ruhe. Er hatte die Käfige versperrt und seine Runde durch den Wald gemacht, war dann heimgegangen und hatte sein Abendbrot verzehrt. Doch er legte sich nicht schlafen. Er saß am Feuer statt dessen und dachte nach.
    Er dachte an seine Knabenzeit in Tevershall und an die fünf, sechs Jahre seines Ehelebens. Er dachte an seine Frau – immer mit Bitterkeit. Sie war ihm so brutal vorgekommen. Nun hatte er sie seit 1915 nicht mehr gesehen, seit dem Frühling, als er einrückte. Doch sie war hier, keine fünf Kilometer weit weg, und brutaler denn je. Er hoffte, sie nicht wiederzusehen, solange er lebte.
    Er dachte an sein Leben drüben, als Soldat. Indien, Ägypten, dann wieder Indien: das blinde, gedankenlose Leben mit den Pferden: der Oberst, der ihn geliebt hatte und den er geliebt hatte: die Jahre, in denen er Offizier gewesen war – mit den besten Aussichten zu avancieren. Dann die Lungenentzündung des Obersten und sein Tod, und sein eigenes knappes Davonkommen: seine zerrüttete Gesundheit: seine tiefe Rastlosigkeit: sein Abschied von der Armee und seine Rückkehr nach England, um wieder zu arbeiten.
    Er hielt mit seinem Leben haus. Er hatte gedacht, er würde in diesem Wald – wenigstens eine Zeitlang – sicher sein. Bis jetzt gab es noch nichts zu schießen; er hatte nur die Fasanen aufzuziehen. Er würde keine Jagdgesellschaft bedienen müssen. Er würde allein sein, abgeschieden vom Leben, und das war alles, was er wollte. Er mußte irgendeinen Hintergrund haben. Und dies hier war sein Geburtsort. Seine Mutter war auch

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