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Lady Chesterfields Versuchung

Lady Chesterfields Versuchung

Titel: Lady Chesterfields Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Willingham
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ihrem Blick aus. „Du hast nichts von Belgrave zu befürchten, Hannah. Ich glaube ihm, wenn er sagt, dass er sein Handeln aufrichtig bereut. Er möchte es wiedergutmachen, und ich finde, du solltest ihm eine zweite Chance geben.“
    „Lieber würde ich eine Kröte küssen.“
    „Er wird dir morgen seine Aufwartung machen. Du wirst ihn empfangen und dir anhören, was er zu sagen hat.“
    Mit ungläubig geweiteten Augen sah Hannah ihre Mutter an. Ungerührt nahm die Marchioness ein Blatt Papier aus einer der Schubladen ihres zierlichen Chippendale-Sekretärs und klappte das Tintenfass auf. Wütend ballte Hannah die Hände zu Fäusten. Sie ahnte, dass ihre Mutter im Begriff war, eine weitere Liste für sie anzufertigen.
    „Mutter, nein“, bat sie. „Es muss doch noch einen anderen Weg geben. Vielleicht kann ich ja mit Stephen und Emily nach Falkirk fahren.“ Sicher würde ihr Bruder ihr Zuflucht in seinem Haus gewähren.
    „Sie sind abgereist – schon sehr früh heute Morgen“, erwiderte ihre Mutter reserviert. „Und dein Bruder hat genug Sorgen, schließlich erwartet Emily in ein paar Wochen ihr Kind. Er weiß nicht, was letzte Nacht vorgefallen ist, und wir erzählen es ihm erst, wenn alles hinter uns liegt.“
    Sie erhob sich und reichte Hannah die Liste. „Jetzt geh auf dein Zimmer und ruh dich aus. Um elf stehst du auf und ziehst das rosafarbene Seidenkleid mit dem hohen Kragen und den weiten Ärmeln an. Beim Mittagessen besprechen wir alles Weitere. Der Baron kommt morgen vorbei, um mit dir über eure Hochzeit zu reden.“
    „Ich will diesen Mann nicht wiedersehen, geschweige denn seine Frau werden!“, protestierte Hannah.
    „Dir bleibt keine Wahl. Am besten, du gewöhnst dich möglichst schnell an den Gedanken, denn dein Vater trifft bereits die notwendigen Vorbereitungen. Innerhalb einer Woche wirst du heiraten.“
    Die Marchioness schloss die Tür hinter ihr, und Hannah eilte so schnell durch den Korridor und die Treppe hinunter, dass ihr der Schal, den sie sich umgelegt hatte, von den Schultern glitt. Wie um Himmels willen sollte sie jetzt Schlaf finden können? Hastig überflog sie die Anweisungen ihrer Mutter.
    1.Bis elf Uhr ruhen.
    2.Das rosafarbene Kleid tragen.
    3.Eine Tasse Tee mit Sahne, aber ohne Zucker trinken, um die Nerven zu beruhigen.
    Als sie die Liste dreimal durchgelesen hatte, zitterten ihr die Hände. Ihr ganzes Leben lang hatte sie immer getan, was ihre Eltern von ihr verlangten. Stets brav ihre Hausaufgaben erledigt, den Gouvernanten gehorcht und alles so gemacht, dass es ihrer Familie zur Freude gereichte.
    Ihr drehte sich der Magen um, als sie sich klarmachte, wie wenig ihr Gehorsam honoriert wurde. Ihre Eltern kümmerte nicht ihr Wohlergehen, sondern hauptsächlich die Familienehre.
    Selbstverständlich erwartete man von ihr, dass sie ihr Zimmer aufsuchte, aber sie ging in den Garten. Tränen der Wut rannen ihr über die Wangen. All die Jahre, in denen sie eine folgsame Tochter gewesen war, verblassten zur Bedeutungslosigkeit angesichts der drohenden Eheschließung mit einem Mann wie Belgrave.
    Die Liste ihrer Mutter war nicht länger ein Liebesbeweis, der ihr dabei helfen sollte, an alles zu denken und sich zurechtzufinden. Stattdessen kam sie Hannah wie eine Kette vor, die sich immer fester um ihre Kehle schloss.
    Sie zerknüllte das Blatt Papier und feuerte es ins Gebüsch am Rande des Kieswegs. Regeln, Regeln und noch mehr Regeln. Sie hatte geglaubt, belohnt zu werden, wenn sie sich an die Regeln hielt.
    Erwartete ihre Mutter tatsächlich, dass sie ausgerechnet den Mann heiratete, der sie in diese schreckliche Lage gebracht hatte? Lieber würde ich meinem Leben in den Fluten der Themse ein Ende bereiten, als Belgrave das Jawort zu geben, dachte Hannah aufsässig.
    Gedankenverloren schlenderte sie durch den Garten, und erneut begann ihr Kopf zu schmerzen. Warum widerfuhr ihr das alles? Gestern noch hatte ihr das ganze Leben mit all seinen Möglichkeiten zu Füßen gelegen, und heute war ihr nichts mehr geblieben.
    Die Arme um den Oberkörper geschlungen, dachte sie daran, wie sie in der vergangenen Nacht hier entlanggegangen war, um die Diamanten zu suchen.
    Bei dem Gedanken hob sie unwillkürlich die Hand an ihren Hals und betastete das wertvolle Schmuckstück. Der Lieutenant musste ihr das Collier wieder umgelegt haben, aber sie wusste nicht, wo oder wann. Der größte Teil ihrer Erinnerung an die Vorkommnisse der Nacht lag hinter einem undurchsichtigen Schleier aus

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