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Lady Chesterfields Versuchung

Lady Chesterfields Versuchung

Titel: Lady Chesterfields Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Willingham
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wieder an ihn erinnerte, hängte Michael den Wasserkessel über die Flamme.
    „Teuflisch elegante Sachen, die du da anhast“, fuhr Mrs Turner fort. „Wo hast du sie her?“
    Er mochte sie nicht daran erinnern, dass er sich die Kleidungsstücke gestern Abend von ihr geborgt hatte. Es waren die Sachen ihres verstorbenen Sohnes, und er wollte ihr den Kummer ersparen.
    „Ein guter Freund hat sie mir geliehen“, erwiderte er deswegen nur und brachte ihr den Tee, dem er einen kräftigen Schuss Whisky beigefügt hatte.
    Sie nahm einen Schluck. „Ah, du bist ein feiner Kerl, Michael. Erzähl mir von dem Ball gestern Abend. Hast du eine junge Dame getroffen, die für dich als Ehefrau infrage kommt?“
    „Möglicherweise.“ Er musste an das liebreizende Gesicht von Lady Hannah denken. „Leider hat man mich vor die Tür gesetzt.“
    „Oh, das kann ich nicht glauben“, entgegnete Mrs Turner lachend. „Ich bin sicher, dass die Frauen bei deinem Anblick reihenweise dahingeschmolzen sind. Aber du musst mir unbedingt erzählen, was sie getragen haben.“ Mrs Turner wickelte sich die Decke fester um die Schultern und rückte dichter ans Feuer.
    Während er die Ballroben der Damen beschrieb, so gut er konnte, machte er ihr ein Marmeladenbrot, was sich als schwieriger erwies, als er zunächst vermutet hatte. Den Brotlaib fand er zwar in einem der Küchenschränke, die Marmelade allerdings in der Kommode mit der Unterwäsche.
    Schließlich reichte er ihr die dick bestrichene Brotscheibe, und sie biss genüsslich hinein. Michael fragte sich, wann sie das letzte Mal etwas gegessen hatte.
    „Und wen hast du noch auf dem Ball getroffen, Michael?“, fragte Mrs Turner kauend, hob ihre Tasse an die Lippen und trank einen kräftigen Schluck.
    „Einen Gentleman aus dem Ausland“, antwortete er schulterzuckend. „Aus Lohenberg.“
    Die alte Frau wurde blass. Die Tasse entglitt ihrer Hand, fiel zu Boden und zerbarst in einer Lache von Tee.
    „Ich kümmere mich darum.“ Michael sammelte die Scherben auf und holte einen Lappen. Als er den Boden trocken gewischt hatte und zu Mrs Turner hochsah, stand Angst in ihrem Blick.
    „Wie … wie war der Name?“, fragte sie tonlos.
    „Graf von Reischor“, antwortete er stirnrunzelnd. „Er ist der Botschafter, glaube ich.“
    Michael sah keinen Anlass zu erwähnen, dass der Mann behauptet hatte, er habe verblüffende Ähnlichkeit mit dem Fürsten von Lohenberg. Mrs Turner griff nach seiner Hand.
    „Oh nein!“, stieß sie zitternd hervor.
    „Was haben Sie, Ma’am?“, fragte er verwirrt. Weshalb versetzte der Name Lohenberg sie derart in Schrecken? Soweit er wusste, hatte Mrs Turner England niemals verlassen.
    Sie schien seine Frage gar nicht gehört zu haben. Auf einmal wirkte ihr Gesichtsausdruck wieder entrückt, und sie begann, leise mit ihrem Sohn Henry zu sprechen, als wäre er noch ein Kleinkind.
    Es war sinnlos, ihr in diesem Zustand Fragen zu stellen, wie Michael wusste. Er musste warten, bis die geistige Umnachtung von ihr gewichen war.
    Hannah hatte keine Ahnung, was eine ruinierte Frau für gewöhnlich anzog, aber sie war überzeugt, dass sie kein cremefarbenes Tageskleid tragen sollte. Leider war Lady Rothburne an diesem Morgen persönlich angetreten, um das Erscheinungsbild ihrer Tochter zu kontrollieren, und sie machte ein Aufhebens, als stehe Hannah eine Audienz bei der Königin bevor.
    „Denk daran“, ermahnte ihre Mutter sie zum soundsovielten Male, „dass du dich in jeder Sekunde tadellos benimmst. Verhalte dich, als wäre vergangene Nacht nichts vorgefallen.“
    Es ist ja auch nichts vorgefallen, hätte Hannah am liebsten erwidert, tat aber so, als füge sie sich den Wünschen Ihrer Ladyschaft. „Ja, Mama.“
    Die Marchioness richtete eine Haarnadel in der Frisur ihrer Tochter und versicherte sich, dass jede Strähne am richtigen Platz saß. „Hast du meine Liste gelesen?“
    „Selbstverständlich.“ Hannah reichte ihrer Mutter das Blatt Papier, und die Marchioness ergänzte die Aufstellung um ein paar weitere Punkte.
    „Für heute Abend habe ich verschiedene Änderungen vorgenommen. Zum Dinner trägst du das weiße Seidenkleid mit der Rosenstickerei und deine Perlen. Estelle kümmert sich um deine Frisur, und du musst um acht Uhr fertig sein.“
    Lady Rothburne reichte ihrer Tochter die Liste. „Ich habe den Butler angewiesen, dir kein Dessert zu servieren. Und keinen Wein. Ich war nachsichtiger mit dir, als gut für dich ist, mein Kind. Estelle

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