Lady Chesterfields Versuchung
Kerzenständer zuschlagen dürfen. Wenn meine Mutter erfährt, was ich getan habe, fällt sie augenblicklich in Ohnmacht.“
Der Lieutenant stützte seine Unterarme auf die Knie und musterte sie ernst. „Wenn Sie es nicht getan hätten, wäre er zudringlich geworden“, sagte er geradeheraus. „Und Ihre Eltern hätten ihn nicht davon abhalten können.“
Hannahs Hände begannen zu zittern. Es war kühl im Raum, und sie rieb sich fröstelnd die Oberarme.
Der Lieutenant stand auf. Er schob die Vorhänge zurück und öffnete das Fenster. „Kommen Sie, Lady Hannah. Wir lassen ihn hier. Sie müssen fliehen.“
„Nicht aus dem Fenster.“ Jeder auf der Straße würde sie sehen, und mit ihren Röcken war ein Sprung aus dem Fenster ohnehin ein Ding der Unmöglichkeit. „Ich gehe einfach durch die Tür.“
„Wollen Sie seine Hosentaschen nach dem Schlüssel durchsuchen? Oder die Diener zu Hilfe rufen, damit sie die Tür einschlagen?“
Den Gedanken, Belgrave zu berühren, fand Hannah so abstoßend, dass sie erschauderte. „Ich habe keine andere Wahl. Selbst wenn ich durch das Fenster klettern wollte, ginge das mit meinen Röcken nicht.“
„Sie könnten ein paar von den Unterröcken ausziehen.“
„Niemals.“ Entsetzt stellte sie sich vor, dass er einen Blick auf ihre Fußknöchel erhaschte. Oder – noch schlimmer – auf ihre bestrumpften Beine! „Der Vorschlag ist lächerlich.“
Er saß auf dem Fensterbrett, ein Bein im Raum, das andere bereits im Freien. „Ich habe nie das Gegenteil behauptet“, erwiderte er schulterzuckend. „Wie auch immer – ich für meinen Teil springe jetzt.“ Mit diesen Worten schwang er sich endgültig aus dem Fenster und entschwand Hannahs Blick. Hilflos sah sie zur verschlossenen Zimmertür.
Im Flur erklangen die Stimmen der Diener und ihrer Mutter. Sie wollte zur Tür gehen, als Belgrave sich plötzlich rührte.
Stöhnend öffnete er die Augen und rieb sich den Kopf. Als er auf die Knie kam, zögerte Hannah nicht länger. Es war keine Zeit mehr, an den Schlüssel zu gelangen.
Sie eilte zum Fenster und blickte hinaus. Bis zum Boden waren es nicht ganz zwei Meter – nicht so hoch, wie sie befürchtet hatte. Unten wartete der Lieutenant auf sie.
„Haben Sie Ihre Meinung geändert?“
„Lassen Sie mich nur nicht fallen.“ Hannah schwang sich aufs Fensterbrett und stellte sich vor, wie sie mit wehenden Röcken in einer Hecke landete. Ihr wurde flau im Magen. Kein Wunder, sagte sie sich. Normalerweise springt eine Dame auch nicht aus dem Fenster, um sich von einem unverheirateten Mann auffangen zu lassen.
Die Alternative war, Belgrave ein weiteres Mal entgegenzutreten.
Wieso in Gottes Namen widerfuhr ausgerechnet ihr dies alles? Bang rutschte sie vor bis auf die äußerste Kante des Fenstersimses. Wie eine Wolke bauschten sich ihre Röcke um sie.
„Ich fange Sie auf.“ Der Lieutenant breitete die Arme aus. Er klang zuversichtlich, seine Arme waren muskulös. Er sah nicht aus, als würde er jemals zulassen, dass ihr ein Leid widerfuhr. „Vertrauen Sie mir.“
Hannah warf einen Blick über die Schulter und sah, dass Belgrave auf sie zu stolperte. Also kniff sie die Augen zusammen und ließ sich fallen. Sie kam nicht einmal dazu, einen Entsetzensschrei auszustoßen, sondern landete mit einem gedämpften „Umpf“ in Thorpes Armen.
Jeder ihrer Petticoats war immer noch da, wo er hingehörte. Der Lieutenant stellte sie auf die Füße, und sie konnte nicht glauben, dass sie sich tatsächlich getraut hatte, zu springen.
„In den Garten“, flüsterte sie hastig. „Schnell, bevor uns jemand sieht.“
Ohne ihr zu widersprechen, folgte er ihr zu der Hecke, hinter der er seine Sachen versteckt hatte. „Ich schätze, es war das erste Mal, dass Sie aus einem Fenster gesprungen sind.“ Er lächelte schief.
Sie spürte, wie sie errötete. „Mir blieb keine Wahl. Belgrave kam zu sich.“
Sofort wurde er wieder ernst. „Sie sind jetzt sicher vor ihm. Gehen Sie ins Haus und erzählen Sie Ihrer Mutter, was vorgefallen ist. Ich glaube nicht, dass man Sie dann immer noch zwingen wird, ihn zu heiraten.“
„Das glaube ich auch nicht.“ Hannah strich sich die Röcke glatt und vermied es, dem Lieutenant in die Augen zu sehen. Er blickte sie an, als wolle er sie im nächsten Moment wieder küssen. Sie wich so weit zurück, dass sie die piekenden Triebe der Buchsbaumhecke in ihrem Nacken spürte. „Vielen Dank, Lieutenant.“
Er nickte, machte indes keine Anstalten
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