Lady Chesterfields Versuchung
hätte an seiner Stelle sterben sollen.“
„Es ist nicht Ihre Schuld, dass er nicht mehr lebt. Es ist an Gott, über Leben und Tod zu entscheiden. Quälen Sie sich nicht damit, dass Sie Glück gehabt haben.“
Er drückte ihre Hand. „Verstehen Sie denn nicht? Falls ich wirklich der Erbprinz bin, will von Reischor mich zum nächsten Fürsten machen. Weshalb hätte ein Mann wie ich solch ein Schicksal verdient?“
„Weil es möglicherweise Ihre Bestimmung ist, dieses Land zu führen. Vielleicht können Sie andere sogar davor bewahren, im Krieg ihr Leben zu verlieren.“
Er sah zur Seite. „Ich will das nicht, Hannah. Ich bin kein Herrscher, diese Rolle liegt mir nicht.“ Gequält atmete er aus. „Ich war ja nicht einmal in der Lage, meine eigenen Männer zu beschützen. Wie kann man dann von mir erwarten, dass mir das mit einem ganzen Land gelingt?“
„Weil Ihnen etwas an den Menschen liegt. Und weil Sie stark genug sind, um diese Aufgabe zu erfüllen.“ Sie ließ seine Hand los und lehnte sich zurück.
Ihre Kopfschmerzen waren stärker geworden, und sie griff nach der Phiole mit dem Laudanum, von dem sie auch Mrs Turner ein paar Tropfen gegeben hatte.
„Macht Ihnen Ihr Kopf wieder zu schaffen?“, erkundigte Michael sich mitfühlend.
Sie seufzte. „Ich hoffe nicht. Manchmal gelingt es mir, die Attacke abzuschwächen, wenn ich früh genug Laudanum nehme.“
Nachdem sie zwei Tropfen eingenommen hatte, schloss sie die Augen und lehnte den Kopf gegen die Seitenwand der Kutsche. Als sie merkte, dass das Rütteln ihre Schmerzen verschlimmerte, stützte sie den Kopf auf ihren Händen auf.
Kurz darauf hörte sie, wie Michael seine Handschuhe auszog, dann merkte sie, dass er die Hutschleife an ihrem Kinn löste und ihr die Schute abstreifte. Hannah erhob keinen Einspruch, weil sie Mrs Turner nicht wecken wollte.
Mit seinen bloßen Händen umfasste Michael ihren Kopf und massierte sanft mit den Daumen ihre Schläfen. Die Sachtheit seiner Berührung und sein Bestreben, ihre Schmerzen zu lindern, machten Hannah atemlos vor Rührung.
Die Haut seiner Finger fühlte sich rau an, als er ihr Gesicht berührte. Das Laudanum begann zu wirken, und allmählich entspannte Hannah sich. Die sanft kreisenden Bewegungen seiner Daumen schienen die Schmerzen zu vertreiben, und beruhigt gab sie sich seiner Massage hin.
„Ich sollte nicht zulassen, dass Sie das tun“, flüsterte sie. Je mehr Freiheiten sie ihm gestattete, umso mehr würde er ihr fehlen, wenn er nicht mehr da war.
Er hob sich ihre Hand an den Mund, streifte den Handschuh ab und küsste sie. „Das hier auch nicht.“
Die Wärme seiner Lippen auf ihrer Haut war betörend und verführerisch. Am liebsten hätte Hannah sich auf seinen Schoß gesetzt und ihren Mund auf seinen gepresst.
„Wenn Sie ein Prinz wären, würden Sie einer Frau wie mir keinen zweiten Blick gönnen“, sagte sie leise. „Einer Frau, die so viele skandalöse Dinge getan hat.“
„Wenn ich ein Prinz wäre …“ Er knabberte sanft an ihren Fingern und umschloss mit den Lippen ihre Daumenkuppe. „Würde ich Sie zu meiner Prinzessin machen.“
Er streichelte ihre Handfläche. „Ich würde Sie in einem Turm einschließen und jede Nacht besuchen kommen.“ Ein träges Lächeln spielte um seinen Mund. „Und ich würde Ihnen verbieten, irgendetwas außer Ihrem Haar zu tragen.“
Sie riss ihre Hand fort, als hätte sie sich die Finger verbrannt. Ihre Haut schien zu glühen, und ihr Körper schmerzte vor Sehnsucht. Seine sinnlichen Verheißungen ließen sie an Dinge denken, die sie nie miteinander tun würden.
Nie würden sie zusammen sein können, gleichgültig, was die Zukunft brachte. Michaels Worte waren Teil eines Spiels, nicht mehr.
Abermals griff er nach ihrer Hand und verschränkte seine Finger mit ihren, beinahe so, als empfände er Hannahs Nähe als tröstlich.
Sie blickte zum Kutschenschlag und wusste, dass sie sich von ihm lösen musste. Vergangene Nacht hatte sie ihm Freiheiten gestattet, die sich nur ein Ehemann herausnehmen durfte. Obwohl sie berauschende Wonnen erlebt hatte, belasteten sie heute Schuldgefühle.
„Ich werde noch heute Abend bei meinen Verwandten eintreffen.“ Es gelang ihr nicht, die Traurigkeit in ihrer Stimme zu unterdrücken. Sie entzog ihm ihre Hand und streifte den Handschuh über. „Und dann sehe ich Sie nie wieder.“
„Sie haben recht.“ Er stützte die Ellenbogen auf die Knie und sah nach draußen in die Abenddämmerung.
Der
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