Lady Chesterfields Versuchung
Prinz wird uns doch aber sicher des Landes verweisen, sobald er erfährt, dass wir immer noch hier sind“, gab Hannah zu bedenken.
Von Reischor schien ihr Einwand nicht recht zu behagen. „Ihre Anwesenheit ist nicht mehr erforderlich, Lady Hannah. Wenn es Ihnen lieber ist, lasse ich Sie gern sofort zu Ihren Verwandten bringen.“
Verunsichert sah Hannah zu Michael.
Er wollte auf keinen Fall, dass sie ihn verließ. „Ich brauche jemanden, dem ich vertrauen kann“, entgegnete er und unterließ es, zu erwähnen, dass er sich wieder an die lohenische Mundart zu erinnern begann. Er hielt es für das Beste, wenn die anderen glaubten, dass er kein Wort verstand.
Als sie bei seiner Kutsche ankamen, blickte der Graf auf ihre verschränkten Finger. „Haben Sie etwas Unüberlegtes getan, Lady Hannah?“, fragte er stirnrunzelnd, als er den Ring an ihrer Hand bemerkte.
Errötend schüttelte Hannah den Kopf. „Nicht wirklich. Der Ring ist ein Geschenk. Wenn die Leute glauben, dass wir verheiratet sind …“
„Mit Blick auf die Zukunft des Lieutenants hoffe ich, dass nicht zu viele Leute das glauben“, unterbrach von Reischor sie streng.
Hannah wurde blass, und Michael drückte ihr beruhigend die Hand. Er würde nicht zulassen, dass der Graf ihr Vorwürfe machte, zumal sie keine Schuld traf. „Ich habe damit ihren Ruf schützen wollen.“
„Sie hätten sie gar nicht erst herbringen dürfen“, hielt ihm der Graf vor. „Lady Hannahs Verwandte machen sich bestimmt Sorgen über ihren Verbleib.“
„Wir sind erst vor zwei Tagen an Land gegangen“, wandte Michael ein.
„Haben Sie die Absicht, sie weiterhin als Ihre …“
„Sprechen Sie es nicht aus“, schnitt Michael ihm wütend das Wort ab. Beschwichtigend trat Hannah zwischen die beiden Männer.
„Es reicht“, sagte sie ruhig und blickte dem Grafen fest in die Augen. „Ich habe nicht vor, die Zukunftsaussichten des Lieutenants zu gefährden. Und ich werde noch früh genug bei meinen Verwandten eintreffen.“ Sie ließ Michaels Hand los und trat einen Schritt zurück. Sie wirkte völlig beherrscht, und ihre Miene ließ nicht erkennen, was sie dachte.
Selbstverständlich hatte sie recht. Michael hätte ihr niemals gestatten dürfen, ihn hierher zu begleiten. Doch bei dem Gedanken, dass sie zu ihren Verwandten reiste, um einen Ehemann zu finden, wurde ihm schwer ums Herz. Am liebsten hätte er ihre Hand wieder ergriffen.
„Wo ist Mrs Turner?“, fragte er und half Hannah beim Einsteigen. Er hatte seine alte Nachbarin bei von Reischor in Sicherheit gewähnt.
Der Graf zuckte unmerklich zusammen. „Im Gasthof, zusammen mit Lady Hannahs Zofe und den anderen Bediensteten. Sie war nicht besonders angetan von unserer Reise hierher.“
Das bezweifelte Michael keinen Augenblick. „Wenn Sie so freundlich wären, Sie ebenfalls zur Jagdhütte bringen zu lassen? Ich möchte so schnell wie möglich mit ihr sprechen.“ Abigail Turner hatte seine Mutter gekannt, solange er denken konnte. Möglicherweise wusste sie, ob Mary Thorpe jemals in Lohenberg gewesen war.
Der Graf wirkte wenig begeistert von dem Ansinnen, doch schließlich nickte er. „Wie Sie wünschen.“
Als sie in der Kutsche saßen, fiel Michael auf, dass Hannah seinem Blick auswich. Offenbar war sie in Gedanken weit fort und dachte darüber nach, vorzeitig abzureisen.
Wollte er wirklich zu der Fürstenfamilie gehören, obwohl er so etwas wie das schwarze Schaf zu sein schien? Nur zu gerne hätte er alles, was mit dieser Frage zusammenhing, hinter sich gelassen. Immerhin hatte man unmissverständlich klargemacht, dass er hier unerwünscht war. Doch wenn er jetzt abreiste, würde er Hannah nie wiedersehen. Er war gefangen zwischen einem Leben, das er nicht wollte, und einer Frau, die er über alle Maßen begehrte.
Die Fahrt ging über holprige Straßen. Sie sprachen kaum, und Hannah drehte gedankenverloren an ihrem Ring. Erst als die Nachmittagssonne tief am Himmel stand, wandte sie sich schließlich zu Michael. „Was hältst du von Prinz Karl?“
„Ich glaube, dass er Angst hat.“ So würde es jedem Mann gehen, den man unerwartet mit einem Geheimnis seiner Vergangenheit konfrontierte.
„Und was ist mit dir? Fürchtest du dich vor dem, was geschehen könnte?“
Michael schüttelte den Kopf. „Aber ich habe schließlich auch kein Fürstentum zu verlieren, meine Liebe.“
„Er ist dein Bruder, habe ich recht?“
„Vermutlich bin ich ein außerehelicher Sohn des Fürsten, ja. Sie wollen
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