Lady Daphnes Verehrer
Verärgert. Mit dem Blick eines Habichts, der eine Feldmaus im Visier hat.
»Womöglich werde ich das kommende Jahr darauf verwenden müssen, Sie noch einmal erröten zu sehen, Mrs Joyes«, hatte er gesagt. Am nächsten Morgen hatte er das Anwesen dann bei Tagesanbruch verlassen, als noch niemand im Haus aufgestanden war. Sie hatte dem Hufgetrappel seines Pferdes auf der Straße gelauscht und mit einem Seufzer der Erleichterung die Augen geschlossen. Es wäre vielleicht besser gewesen, noch einmal mit ihm zu sprechen, wenn er es ermöglicht hätte. Wahrscheinlich hätten sie über das gelacht, was im Gewächshaus passiert war, und vielleicht hätte er sich sogar bei ihr entschuldigt.
Stattdessen hatte sie sich drei Tage lang wegen seiner Gemütslage Gedanken gemacht. Sie war außer sich vor Sorge gewesen, als sie am Mittwoch keine Nachricht über die dienstägliche Beratung erhalten hatte. Am Freitagnachmittag war dann dieser merkwürdige Brief eingetroffen.
Die Kutsche hielt an. Daphne zog die Vorhänge auf und schaute nach draußen. Die Größe von Castlefords Haus war beeindruckend. Das Gebäude hatte wirklich nichts Zurückhaltendes, Bescheidenes oder Dezentes an sich. Es war aufwendiger verziert als es in England jemals in Mode gewesen war und hatte mehr Fenster als die meisten Herrenhäuser. Es kündete ganz ungeniert von Reichtum, Privilegien und Zügellosigkeit.
Wie konnte es auch anders sein?
Zahlreiche Diener in Kniehosen und altmodischer blauer Livree mit Tressen standen am Eingang bereit. Zwei traten vor und halfen ihr und Katherine mit weißen Handschuhen beim Aussteigen. Zwei weitere Diener mit Perücke und Dreispitz auf dem Kopf geleiteten sie zur Tür. Ein stattlicher Butler in einer schmucken Uniform mit goldenen Knöpfen nahm ihre Karte entgegen, legte sie auf ein Silbertablett, das ihm von einem seiner Untergebenen dargeboten wurde, und führte sie von der Empfangshalle umgehend die breite, geschwungene Treppe hoch.
Katherine ging mit großen Augen neben ihr her und war viel zu überwältigt, um sich weiter zu ängstigen. Daphne bemühte sich, nicht ebenso beeindruckt von dem Luxus zu sein, der sie umgab.
»Hast du jemals so ein prächtiges Haus gesehen?«, flüsterte Katherine ihr zu. »Wohnen Audrianna und Verity auch so?«
»Ihre Häuser sind vielleicht genauso groß, wirken aber weniger pompös.« Natürlich war auch keine der Freundinnen mit einem Herzog verheiratet. Nicht, dass alle Herzöge in einem derartigen Prunk wohnten. Becksbridges Heim war bescheidener, aber es kursierte auch das Gerücht, manche seiner Vorfahren seien insgeheim Puritaner gewesen.
»Die Gemälde dort oben stellen unerhörte Dinge zur Schau.« Katherine zeigte an die hohe Decke, wo in idyllischen Landschaften nackte Götter und Göttinnen umhertollten, deren Posen voller erotischer Andeutungen waren.
»Diese Dinge werden nicht als unerhört betrachtet, wenn römische Götter sie tun.«
»Was sollen sie denn sonst sein?«
»Sinnbilder, Gleichnisse. Ich fand allerdings schon immer, dass das nur eine Ausrede für Männer ist, damit sie sich unanständige Bilder ansehen können.«
Sie betraten die Gesellschaftszimmer und gingen durch zwei riesige Salons. Schließlich führte ihr Begleiter sie in einen relativ schlichten Raum, der mit mittelbraunem Holz vertäfelt war. Drei Fenster boten Aussicht auf den Fluss und den Hyde Park. Die Vorhänge bewegten sich in der angenehmen Brise, die von draußen hereinwehte.
Der Butler erklärte, der Herzog wäre bald bei ihnen. Zwei Diener kamen mit Tabletts mit kleinen Küchlein und Tee, servierten ihnen beides mit einigem Getue und ließen sie dann allein.
Daphne saß auf einem Sofa und knabberte an einem Küchlein, das nach Zitrone schmeckte. Ihr Magen hatte sich immer mehr zusammengezogen, seit sie am Park vorbeigefahren waren, und sie bekam kaum etwas hinunter.
Aber wahrscheinlich machte sie sich ganz umsonst Sorgen. Nach dem, was sie gehört hatte, war Castleford kein völliger Schurke. Er hatte sich auch schon sehr freundlich gegenüber Audrianna und Verity gezeigt. Es mochte ja sein, dass er sechs Tage die Woche mit Herumhuren und Trinken verbrachte, dass es ihm egal war, was über ihn geredet wurde, und er gern den Halunken spielte, aber niemand hatte ihn jemals als bösartig oder unmenschlich beschrieben.
Und leider würde man ihm auch nichts vorwerfen können, wenn er sie von dem Anwesen vertrieb. Es wäre lediglich die Tat eines Mannes, der den besten Nutzen
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