Lady Daphnes Verehrer
aus einer Erbschaft zog. Das konnte man wohl kaum als bösartig bezeichnen. Schon eher als vorhersehbar. Und clever.
Sie erinnerte sich an den Ausdruck in seinen Augen, als er sich nach dem Kuss von ihr gelöst hatte. Und sie hörte den mokanten, unheilvollen Ton seiner Stimme, als er sich an der Tür des Gewächshauses verabschiedet hatte.
Ihr wurde das Herz schwer, und jeglicher Optimismus in Bezug auf den Ausgang dieses Treffens war dahin.
Sie hätte wahrscheinlich zu packen anfangen sollen, gleich nachdem sie ihn in der Morgendämmerung hatte davongaloppieren hören.
Nach kurzer Zeit hörten sie Schritte im angrenzenden Gesellschaftszimmer. Zwei Diener öffneten die Flügeltür zu dem luftigen Raum und hielten sie weit auf. Castleford betrat den Raum, gefolgt von zwei weiteren Männern.
Er wirkte nicht so ungezwungen wie bei seinem Besuch, fand Daphne. Steifer. Offizieller, auf undefinierbare Weise. Schroffer.
Er schritt einher wie ein Mann, der ein festes Ziel vor Augen hat. Seine ernste Miene kündete von absoluter Konzentration auf die anstehende Aufgabe.
Es wurde rasch klar, dass sie selbst diese Aufgabe war.
Er musterte sie eingehend. Sein Blick spiegelte seine gehobene Stellung wider, wie sie es noch nie gesehen hatte. Ein Herzog, der es gewohnt war, seinen Willen zu bekommen, taxierte eine Frau, die es gewagt hatte, ihm dieses Privileg zu verweigern.
Als Erstes machte er sie und Katherine mit den beiden Männern bekannt, die mit ihm hereingekommen waren. Der jüngere Blonde mit Brille, einem überraschend energischen Kinn und gewichtiger Miene war sein Sekretär Mr Edwards. Der ältere stattliche Mann mit schütterem Haar war einer seiner Anwälte, ein Mr Goodale. Er trug eine dicke Papierrolle unter dem Arm.
»Mr Edwards, bitte gehen Sie mit Miss Johnson nach unten und zeigen Sie ihr den Garten«, sagte Castleford, nachdem er sie vorgestellt hatte. »Sie ist eine Gartenbauexpertin, und sie ist hier, um Ihnen alles zu zeigen, was unsere Gärtner falsch machen. Sie müssen sich Ihre Empfehlungen und Verbesserungsvorschläge notieren.«
Mr Edwards zog ein kleines Notizbuch aus seiner Jacke und verbeugte sich vor Katherine. »Miss Johnson, wenn Sie mir die Ehre erweisen würden?«
Offensichtlich verwirrt ließ sich Katherine von Mr Edwards aus dem Raum führen.
Castleford machte es sich in dem Sessel gegenüber dem Sofa bequem. Daphne hoffte, dass nun die Anspannung aus seiner Miene weichen würde.
Ein weiterer durchdringender Blick in ihre Richtung. Nun lag wieder dieses teuflische Funkeln in seinen Augen, nur wirkte es an diesem Tag eher gefährlich als verschmitzt. Castleford war zwar immer noch derselbe, aber der Verzicht auf Alkohol schien seinen Verstand zu schärfen und sein Temperament zu zügeln.
»Verzeihen Sie mir, dass ich Miss Johnson mithilfe dieser kleinen List entführen ließ, Mrs Joyes. Ich dachte, Sie würden vielleicht nicht wollen, dass Ihre Freundin bei unserem Gespräch dabei ist. Ich wusste nicht, ob Sie sich ihr anvertraut haben«, sagte er.
»Nein, ich habe mich ihr nicht anvertraut. Es ist gut, dass sie nicht hier ist.« Sie hatte sich darauf verlassen, dass Castleford die Diskretion gegenüber Katherine wahren und ihr seine Entscheidung mitteilen würde, ohne allzu deutlich zu werden. Sie hatte nicht damit gerechnet, von ihm im Beisein einer kleinen Gefolgschaft empfangen zu werden.
»Dann lassen Sie uns die Angelegenheit besprechen. Goodale hat die Begabung, sehr schnell Informationen zusammentragen zu können. Er ist weitaus cleverer, als er aussieht, und hat Spaß daran, über Dokumenten und Akten zu brüten. Er hat Nachforschungen angestellt, damit ich alles Nötige wusste, um vergangenen Dienstag eine Entscheidung treffen zu können.«
Ihr Puls ging in langsamen, harten Schlägen. »Nachforschungen?« Es kostete sie große Mühe, beherrscht und ruhig zu klingen.
Sie musterte Mr Goodale. Er wiederum ignorierte die Beleidigung, die in Castlefords Lob versteckt war, und strahlte vor Freude über die Wertschätzungsbekundung seines Dienstherrn.
»Es ist ratsam, sich mit ererbten Ländereien genauer zu befassen, damit man Klarheit hat«, erklärte Mr Goodale. »Seine Hoheit war gewillt, alles rasch abzuwickeln, aber ich habe ihn dazu gebracht, besonnen vorzugehen, um sicherzustellen, dass auch wirklich alles geklärt ist und es keine Überraschungen gibt.«
Mit anderen Worten hatte dieser Anwalt Castlefords Entscheidung am vergangenen Dienstag verzögert, ob
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