Lady Daphnes Verehrer
in letzter Zeit gegönnt hatte! Das tat er nie, wenn er ein Auge auf eine bestimmte Frau geworfen hatte. Er hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass es ihm keinen Spaß machte, sich mit anderen Frauen zu vergnügen, wenn er eine besonders begehrte. Es verschaffte ihm zwar Erleichterung – wie wenn man einen Wind streichen ließ –, aber freudlos war es trotzdem.
Alkoholabstinenz machte dieses Verlangen unglücklicherweise noch größer. Daraus konnte sich ein höllischer Kreislauf entwickeln, der Grund genug dafür war, es zu vermeiden, sich jemals für eine irgendeine Frau zu erwärmen.
Die Gedanken zu seiner gegenwärtigen sexuellen Situation verstimmten ihn, und er kehrte zu seinen Überlegungen über Daphne zurück. Wenn er es recht bedachte, war sie wahrscheinlich auch der Meinung, dass seine Duelle nichts Gutes über ihn aussagten. Frauen hatten grundsätzlich etwas gegen Duelle. Das war sicherlich ein weiterer Aspekt, den sie an ihm bemängelte.
Als er von seinem Pferd stieg, hatte die Liste der Kritikpunkte eine beträchtliche Länge erreicht. Er war vor einem alten Gebäudekomplex angekommen, in dem das Kriegsministerium untergebracht war. Diese Liste war so lang, dass er sich fragte, warum er eigentlich so töricht gewesen war, überhaupt in diese Richtung zu denken.
Es hatte wohl damit zu tun, dass er nüchtern war; zum Teil auch mit seiner bevorstehenden Aufgabe. Er hoffte, dass er sich in der kommenden Stunde mit anderen Dingen ablenken konnte und nicht an Listen von Gründen denken musste, aus denen die kühle, unvergleichliche Mrs Joyes ihn nicht bewundern wollte.
Er betrat das Hauptgebäude, und während er zur Treppe ging, grüßte er verblüffte und argwöhnisch dreinblickende Gehilfen und Angestellte. Zwei rannten davon, kaum dass sie sich verbeugt hatten, wahrscheinlich um ihre Vorgesetzten darüber zu informieren, dass ein gewisser Herzog beschlossen hatte, das Ministerium mit seiner Anwesenheit zu beehren.
Castleford ging nicht nach oben zu besagten Vorgesetzten, sondern nach unten. Er suchte einen Raum im Keller des Gebäudes auf. Wäre nicht etwas Licht durch die hohen Fenster hereingedrungen, hätte er ausgesehen wie ein Verlies. Goldene Strahlen durchschnitten das Dunkel und fielen auf zwei Männer, die unter diesen Fenstern an Schreibtischen saßen; ganz wie auf einem Gemälde von Caravaggio.
Das freundliche Begrüßungslächeln des älteren der beiden schwand, als ihr Besucher ins Licht trat. Er sprang auf, verbeugte sich und rückte nervös seine Brille zurecht.
»Eure Hoheit, welche Ehre! Es ist lange her. Wenn Sie jedoch erneut Unterlagen benötigen, muss ich Ihnen mitteilen, dass uns der Minister nach dem letzten Mal die strikte Anweisung erteilt hat, immer zuerst seine Genehmigung einzuholen. Er sagte, er würde es Ihnen erklären, Sir, und …«
»Ich habe jede Genehmigung, die ich brauche, Mr Trilling.«
Mr Trillings Gehilfe beobachtete den Dialog mit großen Augen. Sein Gesicht kam Castleford bekannt vor, aber er kam nicht darauf, wo er es schon einmal gesehen hatte.
Trilling zappelte herum und zierte sich. Castleford bedachte ihn mit einem strengen Blick, der Regierungsfunktionäre normalerweise gefügig machte.
Diesmal leider nicht.
»Ich denke, ich sollte mit dem Minister sprechen, Sir. Nur um jedes Missverständnis zu vermeiden«, sagte Trilling. »Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, Hoheit.«
»Ganz im Gegenteil – ich bitte darum. Gehen Sie zu Bathurst, falls er zugegen ist. Ich werde warten.« Er setzte sich auf einen der unbequemen Holzstühle, streckte die Beine aus und lächelte den alten Mann an.
Trilling schlurfte davon. Castleford zog sein Schnupftabakdöschen aus der Tasche, nahm eine Prise und hielt es dem jungen Gehilfen hin. »Greifen Sie zu, solange er weg ist. Mr Trilling erlaubt solche Genüsse gewiss nicht.«
»Dessen können Sie sicher sein, Sir.« Mit einem verschwörerischen Lächeln kam der junge Mann zu ihm herüber, nahm das Döschen entgegen und bediente sich.
»Wie heißen Sie?«, fragte Castleford.
Er errötete und verbeugte sich. »Ich bitte um Verzeihung, Hoheit. Ich bin Harry Sykes, erster Gehilfe des Archivleiters, Sir.«
»Sie kommen mir bekannt vor«, sagte Castleford. »Ich bin sicher, wir sind uns schon einmal begegnet.«
»Begegnet? Ganz gewiss nicht, Hoheit. Wann hätte das sein sollen? Ich bin erst im Juni von Mr Trilling eingestellt worden.« Er strahlte jedoch vor Freude darüber, dass ein Herzog dachte, er würde
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