Lady Daphnes Verehrer
Antwort von Margaret wartete. Ihr wurde das Herz schwer, als sie sah, dass nichts aus dem Norden dabei war.
Vielleicht sollte sie die Reise einfach ohne Einladung machen und auf das Beste hoffen. Womöglich hatte sie Margaret mit der Erwähnung ihrer Vergangenheit abgeschreckt. Dieser Besuch erschien ihr mit jedem Tag nötiger, denn sie wollte sich vergewissern, dass die Menschen, die ihr nahestanden, in Sicherheit waren. Je höher die Wogen der Erregung wegen der Unruhen dort oben schlugen, desto größer wurde ihre Sorge.
Sie legte zwei Briefe von Absendern zur Seite, die sie nicht kannte. Es schien sich um Einladungen zu handeln. Sie konnte sich nicht vorstellen, wer sie zu irgendetwas einladen wollte.
Dann entdeckte sie den Brief von Castleford.
Er war sehr charmant und höflich und enthielt nur eine winzige Anspielung auf die Intimitäten des vergangenen Abends (es habe ihn gefreut zu sehen, wie sehr sie ihre gehobene Stimmung auf seiner Party genossen habe). Am Ende erwähnte Castleford fast nebenbei, er müsse sie am nächsten Tag wegen des Anwesens sprechen.
Sie ließ den Brief sinken und fragte sich, wie lange ein Juwelier wohl dafür brauchte, Diamantohrringe anzufertigen.
Später verließ Daphne das Haus, um mit einem der Butler zu sprechen, die Interesse daran gezeigt hatten, Pflanzen von ihr zu beziehen. Sie kehrte erst gegen ein Uhr mittags zurück. Nachdem sie zu dem Schluss gelangt war, dass sie nicht um die Besprechung mit Castleford herumkam, schrieb sie ihm, sie werde kommen. Danach lehnte sie höflich die zwei Einladungen von Damen ab, die ihr nicht bekannt waren. Als Letztes schrieb sie eine weitere Nachricht an Celia.
Sie versiegelte gerade den Umschlag, als ein Diener kam und sie informierte, dass unten ein Besucher wartete. Er hatte keine Karte mitgebracht, sondern einen Strauß gelbe Rosen und einen Brief.
Zehn Minuten, nicht länger, das verspreche ich.
Mehr stand nicht darin. Der Unterzeichner war Latham.
Sie legte die Blumen achtlos zur Seite und dachte über das Gesuch nach. Nachdem sie hin und her überlegt hatte, beschloss sie herauszufinden, was der Mann im Sinn hatte. Er wollte ihr gewiss keine Avancen machen, wie Castleford befürchtete, dessen war sie fast sicher. Nicht einmal Latham konnte so verblendet sein.
Sie ging nach unten und fand ihn im Salon vor. Während sie sich begrüßten, sah sie ihn sich genauer an, als sie es am Vorabend getan hatte.
Neun Jahre veränderten jeden Menschen, Männer jedoch ganz besonders, wenn diese Jahre sich über den Zeitraum vom Ende ihrer Jugend bis zur beginnenden Reife erstreckten. Daphne fiel auf, dass Lathams runde Wangen längst nicht mehr knabenhaft wirkten, sondern auf den Lebensstil eines Mannes hindeuteten, der seinen Gelüsten frönte. Dennoch würden ihn wohl die meisten Frauen als attraktiv bezeichnen, ja sogar als gut aussehend. Und sie würden seine biedere Kleidung und Frisur und seine freundliche, charmante Art als angenehm und völlig unbedrohlich empfinden. Genau deshalb versteckten sich Wölfe ja auch im Schafspelz.
»Miss Avonleah … verzeihen Sie, Mrs Joyes natürlich, ich musste einfach vorbeikommen.«
»Woher wissen Sie, wo ich wohne?«
»Ich brauchte nur ein wenig herumfragen. Die Gesellschaft weiß von Ihrem Aufenthalt in diesem Haus. Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, dass ich nachgeforscht und Sie ausfindig gemacht habe.«
»Ich bin nicht erfreut darüber. Gestern war unsere Begegnung für mich unvermeidlich. Heute nicht.«
Er lächelte höflich, doch in seinen Augen blitzte Belustigung über ihre Förmlichkeit auf. »Sie wiederzusehen war eine große Überraschung für mich. Damit habe ich nicht gerechnet. Und ich muss gestehen, es hat mich voller Wehmut an meine jungen Jahre denken lassen, als das Haus meines Vaters noch mein zweites Zuhause war.«
Hielt er das für lustig? Oder glaubte er etwa, das Wiedersehen hätte auch in ihr nostalgische Gefühle geweckt? »Das Haus gehört Ihnen jetzt ganz, also können Sie sich täglich Ihrer Sehnsucht nach der Vergangenheit hingeben. Werden Sie zu diesem Zweck bald wieder aufs Land fahren?«
»Ich glaube nicht. Man hat mich gebeten, in der Stadt zu bleiben. Liverpool denkt, ich könnte gebraucht werden.«
Und schon hatte er sich in die einflussreichsten Kreise eingeschlichen! Sie war entsetzt darüber. Aber er war jetzt Herzog, und wahrscheinlich wurden in schwierigen Zeiten alle Herzöge gebraucht, wenn sie bereit waren, dem Ruf Englands zu
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