Lady Daphnes Verehrer
folgen.
»Da Sie nun in seiner Gunst stehen, hat Lord Liverpool wohl Ihre Essays gelesen.«
»Hat er. Und Sie? Fanden Sie sie in irgendeiner Weise erbaulich oder nützlich?«
»Ich finde es amüsant, dass ausgerechnet Sie so etwas schreiben. Und tun Sie bitte nicht so, als wüssten Sie nicht, warum.«
Er gab mit einem Nicken zu verstehen, dass er es sehr wohl wusste, und täuschte mit einem jungenhaften Grinsen eine gewisse Zerknirschtheit vor. Das betrachtete er offenbar als ausreichende Entschuldigung für seine Jugendsünden.
Diesen Gesichtsausdruck hatte er garantiert genau für solche Momente vor dem Spiegel einstudiert, in denen jemand erwähnte, dass er viel mehr über ihn wusste, als ihm genehm sein konnte.
Er schien nicht die Absicht zu haben, nur ein paar Worte zu sagen und sich dann rasch zu verabschieden. Sie wiederum fühlte sich verpflichtet, ihm anstandshalber einen Stuhl anzubieten. Zehn Minuten, hatte er geschrieben. Elf würde er nicht bekommen.
»Ich wusste nichts von Ihrer Heirat, Daphne.«
Sofort fiel ihr sein sanfter Ton auf. Und dass er sie beim Vornamen nannte. Und wie er sie ansah. Sein Versuch, vertraulich zu werden, war plump und beleidigend, aber damit hätte sie eigentlich rechnen müssen.
Sie erinnerte sich daran, wie er verstohlen mit ihr geschäkert hatte, wenn er zu Besuch nach Hause kam. Als junge, einsame Frau hatte sie es charmant gefunden und sich sogar geschmeichelt gefühlt. Es war zu Küssen und Intimitäten gekommen, derentwegen sie sich jahrelang Vorwürfe gemacht hatte, bis ihr eines Tages bewusst geworden war, wie unehrenhaft
er
sich verhielt. Natürlich hatte sie nicht das gleiche Schicksal ereilt wie dieses arme Küchenmädchen. Das war ihr dank ihrer Herkunft erspart geblieben.
»Meine Heirat war allgemein bekannt im Haus Ihres Vaters. Wahrscheinlich hielt es Ihnen gegenüber niemand für erwähnenswert.«
»Ich hätte gedacht, mein Vater sagt mir so etwas.«
»Bedienstete kommen und gehen, und ihr Leben ist gewiss kein Thema für Wohnzimmergespräche.«
»Sie waren keine bloße Bedienstete.«
»Oh doch, mehr bin ich nie gewesen. Ihr Vater und seine Frau haben meinen Stolz in einem gewissen Rahmen ertragen, aber letztlich war ich in den Augen Ihrer Familie nicht mehr als eine Küchenmagd und wäre wohl auch so behandelt worden, wenn ich keine Verbindungen zu der Grafschaft hätte, in der Ihr Landgut liegt.«
Angesichts des Vergleichs mit der Magd schwand sein Lächeln. Seine blauen Augen hörten auf zu strahlen und er musterte sie neugierig, ja beinahe misstrauisch.
»Machen Sie noch Besuche in der Grafschaft?«, fragte er. »Ich hatte noch keine Gelegenheit, die alteingesessenen Familien dort aufzusuchen.«
»Ich korrespondiere mit einigen von ihnen.« Sie erzählte ihm ein, zwei Begebenheiten aus den vergangenen Jahren. Dabei machte sie ihm sehr deutlich, dass die Tochter eines Edelmannes aus der Grafschaft immer noch bei Becksbridges Nachbarn Gehör finden und von ihnen empfangen werden würde.
Er hörte ihr zu, als machte sie nur Konversation, aber sie hoffte, dass sie sich klar genug ausdrückte. Als sie fertig war, schenkte er ihr allerdings ein allzu vertrauliches Lächeln; so als hätte er die Bedeutung ihrer Worte überhaupt nicht verstanden.
»Sie sind jetzt so förmlich«, sagte er. »Ganz anders als das fröhliche Mädchen, an das ich mich erinnere. Ich habe, wie ich gestehen muss, gehofft, Ihre gestrige Reserviertheit sei Ihrer Überraschung geschuldet gewesen. Und Ihrer Diskretion.«
Seine Dreistigkeit versetzte sie in Erstaunen. »Ich bin durchaus noch fröhlich, aber kein junges Mädchen mehr. Ich bin nicht mehr so arglos wie früher und nicht annähernd so vertrauensvoll.«
»Das ist gewiss gut so. Und als Witwe wissen Sie ja nun auch, worum es Männern geht, nicht wahr?«
Sie traute ihren Ohren nicht und befürchtete schon, dass er Castlefords Vorhersage erfüllen und etwas Dummes sagen würde, und dass diese unangemessene Wende des Gesprächs der Auftakt zu einem unsittlichen Angebot sein könnte. Aber so ein furchtbarer Schurke konnte er doch nicht sein, oder?
»Ja, ob sie nun ehrenhaft sind oder nicht, ich weiß, worum es Männern geht. Und ich weiß auch, dass privilegierte Männer Schutz genießen, wenn sie so skrupellos sind, ihren gesellschaftlichen Rang auszunutzen.«
Er sah sie nicht gerade erfreut an und – wie sie hoffte – auch ein kleines bisschen beunruhigt. Sie sah ihm unumwunden in die Augen. Er sollte wissen,
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