Lady Ghoul
Supermodell. Die kenne ich. Celeste ist unter anderem nach London gekommen, um hier erste Filmaufnahmen zu machen. Probeaufnahmen und so. Man will aus ihr eine zweite Brigitte Nielsen machen.«
»Das ist schon etwas.«
Ich hörte meinen Freund scharf atmen. »Sag mal, Alter, weshalb interessierst du dich dafür?«
»Aus gewissen Gründen, die ich nicht näher erläutern kann. Weißt du denn mehr über sie?«
»Kaum. Sie stammt aus dem südlichen Europa oder aus Kleinasien. Dort ist sie bekannt geworden. Dann haben die Scouts amerikanischer Magazine sie entdeckt und auf die Titelblätter ihrer großen Zeitschriften gebracht. Somit begann eine Karriere. Liest du keine Modezeitschriften?«
»Selten.«
»Dein Fehler, dann wüßtest du mehr.«
»Bill«, sagte ich, »wie kann ich an sie herankommen?«
»Willst du sie anmachen?«
»Red kein Blech, das ist rein beruflich. Ich muß sie kennenlernen.«
Mein Freund lachte. »Wenn du den alten Bill nicht hättest und auch den Zufall. Heute abend ist eine Talk-Show, in der auch diese Celeste auftritt. Du kennst den Titel?«
»Ist das >VIPs< in London?«
»Richtig. Die Moderatoren haben wieder einige interessante Leute zusammengebracht.«
»Wo findet die Show statt?«
»In einem kleinen Theater. Das Fernsehen ist dabei, und Karten gibt es keine mehr.«
»Bist du denn da?«
»Sogar mit Sheila. Du weißt ja, daß sie sich für Mode interessiert. Ich habe das Gefühl, daß sie wieder einsteigen will. Aber das bleibt unter uns.«
»Du kannst also nicht noch an zwei Karten herankommen?«
»Unmöglich.«
»Dann werde ich es versuchen. Dienstlich gewissermaßen. Die können uns noch zwei Stühle in den Zuschauerraum stellen.«
»Weshalb redest du in der Mehrzahl?«
»Weil ich jemanden mitbringe, der mich auf die Spur dieser Celeste gebracht hat.«
»John, du machst mich neugierig. Was ist mit dieser Person geschehen, zum Henker?«
»Es besteht da ein gewisser Verdacht, über den ich jetzt nicht reden kann.«
»Heute abend denn?«
»Da werden wir uns sicher sehen. Und viel Erfolg in der Redaktion.«
»Danke, das läuft schon.«
Als ich auflegte, entspannte sich das Gesicht meines Besuchers allmählich. »Danke, Mr. Sinclair, damit hätte ich nicht gerechnet.«
Ich hob die Schultern. »Sie haben mich eben neugierig gemacht, Mr. Balsam. Zudem besitze ich eine recht gute Menschenkenntnis. Ich halte Sie nicht für einen Spinner. Haben Sie heute abend Zeit?«
»Sie meinen wegen der Talk-Show?«
»So ist es.«
»Natürlich habe ich Zeit. Das mit der Show hätte ich Ihnen auch sagen können.«
»Gut, dann werden wir uns dort treffen. Ich werde herausfinden, in welch einem Theater…«
»Es liegt an der Grenze zu Soho und heißt Odeon.«
»Ja, das kenne ich.«
Ernie Balsam stand auf. »Treffen wir uns vor dem Eingang?« fragte er.
»Sicher. Die Show beginnt um zwanzig Uhr. Ich werde eine halbe Stunde zuvor dort sein.«
»Ich ebenfalls.«
Im Vorzimmer bedankte sich mein Besucher noch einmal für den vorzüglichen Kaffee. Dann brachte ihn Glenda zum Ausgang. Ich blieb in ihrem Büro und rauchte noch eine Zigarette. Den Qualm blies ich gegen die Fensterscheibe, hinter der sich ein grauer Herbstmorgen abzeichnete.
Es hatte aufgehört zu regnen. Trotzdem glänzten die Straßen und Dächer der Häuser feucht. Die Autos fuhren mit Licht, und über der City lag eine Dunstglocke, die nicht nur aus den Abgasen der zahlreichen Fahrzeuge bestand.
Glenda kehrte zurück.
Ich hielt ihr den Zeitungsauschnitt entgegen, noch bevor sie etwas sagen konnte. »Kennst du diese Person?«
»Ja, Celeste, ein Top-Modell.«
Ich schüttelte den Kopf. »Jeder scheint sie zu kennen, nur ich Esel nicht.«
»Ist ja auch nicht dein Metier — oder?«
Ich schaute Glenda schräg von der Seite her an. »Nein, meine Liebe, noch nicht. Aber es könnte mein Metier werden. Dann nämlich müßten wir den Namen Celeste austauschen.«
»Und wie würde sie heißen?« fragte Glenda.
»Lady Ghoul…«
***
Mickey Graft, der bekannte Popsänger aus den Staaten, war einiges gewohnt, was Frauen anging, doch hier in London bekam er die Augen kaum noch zu, als er die Schickimickis sah, die sich im Odeon-Theater drängelten und die Gänge bei den Garderoben besetzt hielten. Er stand in der offenen Tür seiner Garderobe, glotzte in den Gang und konnte nichts sagen, obwohl er wahrlich nicht auf den Mund gefallen war. Diese Ansammlung von heißen Hosen, die ihm nicht einmal einen Blick gönnten, war
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