Lady Helenes skandaloeser Plan
entschlüpft! Nun, es verhält sich tatsächlich so, dass Mr Holland, mein Schwager, heute Morgen mit seiner Verlobten vor den Altar getreten ist. Wir wollten die frohe Nachricht jedoch erst dann verbreiten, wenn das glückliche Paar ihren Vater in Schottland darüber in Kenntnis gesetzt hat. Er ist Vikar, müssen Sie wissen, und hat wohl geglaubt, er könne ihnen selbst seinen Segen erteilen. Sie müssen mir also versprechen, es niemandem zu verraten, Lady Saville!«
Felicia nickte und überlegte bereits, welchen drei oder vier Bekannten sie die Neuigkeit unter dem Siegel der Verschwiegenheit mitteilen würde.
Lady Godwin beugte sich vertraulich vor. »Das arme Mädchen war ja so
verstört
, als es die Gerüchte hörte, die in ganz London verbreitet wurden – Sie wissen, wovon ich spreche, nicht wahr?«
»Es ist ein Verbrechen!«, flüsterte Felicia, dreist die Tatsache ignorierend, dass ihr Anteil bei der Verbreitung nicht gerade gering gewesen war.
»Ja, das finde ich auch«, bestätigte Lady Godwin. »Sie wissen ja, Lady Saville, dass wir über so manches plaudern, was sich in der vornehmen Gesellschaft zuträgt, aber wir würden doch
niemals
etwas erfinden! Doch genau das hat der Earl von Mayne getan, fürchte ich. Und dabei weiß jeder in London, dass mein Ehemann seine Geliebte bereits vor Monaten fortgeschickt hat.«
Felicia nickte heftig. »Ich hatte bereits etwas in diesem Sinne gehört, aus unterschiedlichen Quellen«, pflichtete sie der Gräfin bei. »Mayne wird sich dafür verantworten müssen!«
»Die liebe Mrs Holland ist jetzt so glücklich«, berichtete Lady Godwin. »Ende gut, alles gut, kann man da nur sagen. Wer könnte sie für ein übel beleumdetes Frauenzimmer halten, wenn er erst ihr reizendes kleines Gesicht gesehen hat?«
»Wer, in der Tat?«, murmelte Felicia und unterdrückte einen Schauder beim Anblick der frisch gebackenen Mrs Holland, die schwerfällig einen Ländler tanzte.
»Eine Heirat löst doch so viele Probleme«, sinnierte Lady Godwin. »Nun können sie und mein lieber Schwager sich aufs Land zurückziehen, und sie kann diese unerfreuliche Episode einfach vergessen.«
»Und Sie, meine Liebe?«, lenkte Felicia das Gespräch auf ein weitaus interessanteres Thema. »Gedenken Sie im Haus Ihres Mannes zu bleiben, oder werden Sie zu Ihrer Mutter zurückkehren?«
»Nun … dies ist aber nur für
Ihre
Ohren bestimmt, Lady Saville …«
»Sagen Sie doch bitte Felicia zu mir!«
»Felicia«, wiederholte die Gräfin. »Welch ein schöner Name. Um die Wahrheit zu gestehen, ich habe mich noch nicht entschieden! Denn für manche Dinge sind Ehemänner, wie Sie ja wissen, ein notwendiges Übel.«
Felicia nickte zwar, jedoch wollte ihr nichts einfallen, wofür Ehemänner zwingend notwendig sein sollten.
41
Die Verführung
Bruchstücke einer Melodie schwebten durchs Haus. Er spielte dasselbe Stück wieder und wieder. Helene hielt es für das Madrigal aus dem zweiten Akt.
Schließlich stand sie auf und streifte ihren praktischen Morgenrock über, knotete den Gürtel eng um die Taille. Angesichts der Tatsache, dass sie bereits etliche Male unzureichend angezogen und auf nackten Füßen durch die Korridore geschlichen war, war es ein Glück, dass Rees nur so wenige Diener beschäftigte.
Der Kerzenleuchter auf dem Klavier spendete nur spärliches Licht. Im Schein der Kerzen wirkte die glänzende Oberfläche des Instruments gelblich und Rees’ Wimpern und Locken wie in Flammen getaucht. Helene schritt auf ihn zu. Mit leisem Rascheln streifte ihr Morgenrock die losen Blätter, die sich wieder einmal rund um das Klavier angesammelt hatten.
Sogleich fuhr sein Kopf hoch. Und ohne ein Wort zu sagen oder sie auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen, stand er auf.
Helene erlebte zum ersten Mal in ihrem Leben das berauschende Gefühl, eine Sirene zu sein, eine
séductrice
. Sie ließ den hässlichen weißen Morgenrock von ihren Schultern bis zur Armbeuge hinabgleiten, wo er einen Rahmen für ihren Körper bildete. Ihr Nachthemd hatte sie einfach im Zimmer gelassen.
Rees tat einen Schritt auf sie zu, doch Helene kam ihm ebenfalls entgegen. Es war, als zöge der Kerzenschein sie in einen magischen Kreis: Je näher sie Rees kam, desto mehr wurde ihr Körper selbst zur Flamme, und Hitze stieg an ihren Schenkeln empor.
Er schien von ihrem Anblick wie gebannt. Langsam rückte sie in den Lichtkreis vor, der das übrige Zimmer in die Dunkelheit verbannte, als gäbe es nur sie beide auf der
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