Lady Helenes skandaloeser Plan
Arme um seinen Hals. »Eine Ehe, die im Himmel beschlossen wurde.«
»Wie unsere Verbindung«, erwiderte er geschmeidig. »Vergeben Sie mir also, dass ich so unverschämt war, Gäste zu Ihrem Ball zu laden?«
Sie lächelte ihn an, ein Lächeln voll des zärtlichen Vorwurfs und der Vergebung. »Nach dem heutigen Abend wird Lady Godwin in jedem Haus im Lande empfangen werden«, versicherte sie. »Und die Schottin ebenfalls. Ich meine, wir kennen einander so gut, Garret, dass ich Ihnen ein paar …
Unverschämtheiten
erlauben kann.«
»Eben das hoffte ich zu hören«, lautete seine Antwort. Und sein Lächeln im Spiegel galt sowohl Felicia als auch – seinem schlechten Gewissen.
40
Kommt zum Ball!
Anderenorts in London war man ebenfalls mit der Abendgarderobe beschäftigt. Behutsam klebte Lady Griselda Willoughby ein schwarzes Schönheitspflaster neben den rechten Winkel ihres kirschroten Mundes. Sie hatte nämlich beschlossen, dass sie als neueste Mode die Jakobiner nachahmen wollte, und trug demzufolge ein Kleid mit kurzer Schleppe und dem Hauch eines Duttenkragens.
Die Herzogin von Girton fand wenig Ruhe beim Ankleiden, da ihr kleiner Sohn immer wieder durchs Zimmer tapste. Er hatte gerade gelernt, wie er mit den Füßen voran die Treppe hinunterkriechen konnte, und entwischte mit schöner Regelmäßigkeit den Kindermädchen, um geradewegs die Gemächer seiner Mama anzusteuern.
Lady Esme Bonnington lag in der Bekleidungsfrage noch weiter zurück, da ihr Mann Sebastian mit einem dringenden Wunsch in ihrem Zimmer erschienen war, und so wurde eher auf- denn zugeknöpft. Und im Augenblick trug sie keinen Faden am Leibe.
Doch die gewissenhaftesten Vorbereitungen wurden am Rothsfeld Square Nummer fünfzehn getroffen. Monsieur Olivier hatte das Haus mit seinem Besuch beehrt, und in der Folge waren Linas glänzend braune Locken nur noch ein Schatten ihrer selbst: Der Meister hatte sie ausgedünnt und zu steifen Ringellöckchen frisiert, die über ihren Ohren baumelten.
»Es tut mir ja so leid!«, beteuerte Helene nicht zum ersten Mal und starrte Lina ungläubig im Spiegel an. »Er ist zu weit gegangen! Was wird Tom bloß dazu sagen?«
Doch Lina konnte nicht aufhören zu lächeln. Ihr war das Hinscheiden ihrer Haare absolut gleichgültig. »Es wächst ja wieder nach«, sagte sie.
»Meinen Sie, Madam, ich sollte noch mehr Sommersprossen aufmalen, oder würde ich damit die Wirkung übertreiben?«, fragte Saunders und trat einen Schritt zurück.
Helene schaute hin und schauderte leicht. Auf Linas Gesicht waren unzählige Sommersprossen erblüht. Zuerst hatte Saunders sie nur über den Nasenrücken gesetzt, doch dann war sie von einer Schminkwut überkommen worden, und jetzt breiteten sich Bataillone brauner Flecken über Linas Stirn aus und ließen sie viel älter erscheinen, als sie war.
»Es tut mir leid!«, sagte Helene wieder.
»Das muss es nicht«, erwiderte Lina. Ihre Blicke trafen sich im Spiegel, und Lina wusste, dass sie nichts weiter sagen musste. Sie würde der Vorsehung ewig dafür danken, dass sie ihr Tom beschert hatte.
Saunders vermischte ein wenig rotes Sandelholz mit Kreide und trug es auf Linas Lippen auf, die daraufhin so aussahen, als wäre sämtliche Farbe aus ihnen gewichen.
»Nun, das sollte reichen«, verkündete Lina aufgeräumt. »Keine Opernsängerin, die etwas auf sich hält, würde jemals so unter die Leute gehen.«
»Nein, wirklich nicht«, sagte Helene befriedigt. »Sie sehen … Sie sehen …«
»Wie eine Vogelscheuche aus«, ergänzte Lina.
»So schlimm nun auch nicht. Eher wie … ein Landei?«
»Ich bin ja auch die Frau eines Landpfarrers«, sagte Lina freudig.
»Und nun zum Kleid«, sagte Saunders. Sie kehrte mit einem Gewand vom Schrank zurück, das sie geradezu ehrfürchtig auf den Armen trug.
Zwei Minuten später war Lina in weiße Spitze gehüllt – vielmehr eingewickelt.
»Das könnte ein wenig
zu
unschuldig wirken«, meinte Helene zweifelnd. Sie hatte Muster und Stoff selbst ausgesucht und das Kleid bei der
modiste
Madame Pantile bestellt, die dafür berüchtigt war, dass sie schlecht sitzende und mit zu viel Besatz versehene Kleidung entwarf. Und Madame Pantile war ihrem schlechten Ruf mehr als nur gerecht geworden: Jeder Zoll von Linas Kleid war mit heller Spitze oder Nadelspitze oder weißen Schleifen besetzt.
»Meinen Sie nicht, dass der Kopfputz ein wenig übertrieben ist?«, fragte Lina mit den ersten Anzeichen von Beklommenheit.
»O nein!«, entgegnete
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