Lady Marys romantisches Abenteuer
in dieser und in der nächsten Welt kümmern, nicht wahr?“
Aus Freude, weil er mit ihr zusammen war, wie auch aus Freude über das, was sie sagte, lachte er. Noch nie hatte er eine Frau gekannt, die ohne Berechnung klug war. Es amüsierte ihn, das war wahr, aber auf seltsame Art hatte er deswegen auch noch mehr Achtung vor ihr.
Sie lächelte vergnügt. „Wie Sie sehen, passt alles zusammen. Und wenn wir vermuten, dass mein Engel von der gleichen Art Altar abgeschnitten wurde, dann können wir auch annehmen, dass der einzige Unterschied die Auftraggeber sind, die hier in den Ecken knien. Vielleicht sind sie den Schlüssel dafür, warum jemand unbedingt meinen Teil des Gemäldes haben will.“
„Und zwar so unbedingt, dass er dafür tötet.“ Sein Lachen erstarb, und er studierte das Gemälde mit neuer Entschlossenheit. „Es ist eine Schande, dass keiner von ihnen kleine Namensschilder auf der Brust trägt.“
„Sie haben trotzdem ihre Adresse hinterlassen.“ Mary deutete auf ein Durcheinander winziger Gebäude hinter den knienden Spendern. „Bis jetzt war ich noch nicht in Florenz – wenn ich auch vorhabe, auf dieser Reise dorthin zu fahren –, doch ich habe Stiche gesehen. Und sieht dieser viereckige Turm, der alle anderen Gebäude überragt – sieht der nicht wie der Glockenturm der florentinischen Kathedrale aus? Der Campanile, ja?“
„Ja“, sagte John erstaunt. „Und das halbfertige Gebäude daneben muss die angefangene Kuppel der Kathedrale sein.“
„Der Duomo“, sagte sie stolz. „Aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Sie sehen, ich habe mich auf diese Reise vorbereitet.“
„Das haben Sie wirklich“, erwiderte er beeindruckt. „Sie sind ein kluges Mädchen, nicht wahr?“
„Ja“, sagte sie ohne die geringste mädchenhafte Ziererei. „Das bin ich. Wir können fast sicher sein, dass mein Bild von diesem Fra Pacifico in Florenz gemalt wurde, und dass es früher einmal noch andere Teile davon gegeben hat. Doch ich wünschte, wir wüssten, wer mein Bild in Auftrag gab und wer es in Stücke schnitt.“
„Wir sind mit seinem Verwandten hier noch nicht ganz fertig.“ John warf wieder einen Blick auf den Diener, der jetzt tief und fest schlief. Mit größter Vorsicht klappte John einen der Seitenflügel des Triptychons nach innen, sodass er die Rückseite sehen konnte. Auch die war bemalt, jedoch von der weniger geübten Hand eines Lehrlings: eine Landschaft mit einem Dorf, das an einem Hügel lag und einer gewundenen Straße, gesäumt von Pinien. Bezaubernd, doch nichts Außergewöhnliches. Sachte klappte er den Flügel wieder in seine alte Stellung zurück.
„Ihre Tafel ist auf der Rückseite leer, oder?“, fragte er. „Keine kleinen Häuser oder niedlichen Bäume wie diese hier?“
Sie schüttelte den Kopf. „Es ist nur grün angemalt, mit unsinnigen Kritzeleien.“
„Aber vielleicht ist es kein Unsinn“, sagte er. „Nun, da wir eine Ahnung haben, wie viel von dem Original fehlt, könnten wir vielleicht den Rest des Gekritzels erraten und eine Erklärung dafür finden.“
„Das könnten wir vielleicht“, sagte sie. „Nein, wir werden es. Sobald wir in den Gasthof zurückgekehrt sind, bringe ich Ihnen meinen Engel, und dann können wir ihn gemeinsam ganz genau studieren.“
Der Gedanke, dass sie zu ihm kommen würde, gefiel ihm. Sie konnten dann vieles gemeinsam ganz genau studieren, nicht nur das Gemälde. Es schien ein besserer Tag zu werden, als er je zu hoffen gewagt hätte.
Mahnend legte er den Zeigefinger auf die Lippen. „Aber es muss unser Geheimnis bleiben, Mary“, sagte er leise. „Sie dürfen keinem etwas davon erzählen, noch nicht einmal Ihrer Schwester oder Miss Wood.“
„Oh nein“, sagte sie. „Sie wissen so gut wie gar nichts darüber. Mit diesem Bild scheint ein so großes Geheimnis verbunden zu sein, dass ich es nicht wagen möchte, die beiden einer Gefahr auszusetzen.“
„Das ist gut.“ Er hatte nicht erwartet, dass sie zu diesem Schluss kommen würde. Aber da sie es getan hatte, war es auch gut so. „Wir müssen dieses Geheimnis für uns behalten, bis wir sein Rätsel gelöst haben.“
„Oh ja, natürlich. Natürlich.“ Sie schlug die Hände zusammen, als ihr klar wurde, dass selbst die drohende Gefahr für sie etwas Aufregendes hatte. „Oh John, Sie haben ja keine Vorstellung, wie ungewohnt das alles für mich ist – das Bild und das Rätsel und wir, die wir es gemeinsam lösen. Ich wünschte mir Abenteuer, und das hier – das ist
Weitere Kostenlose Bücher