Lady Marys romantisches Abenteuer
als wollte sie ihren Anspruch darauf demonstrieren. „Vater wäre voll und ganz einverstanden, Diana, weil ich damit etwas für meine Bildung tue. Außerdem kann ja ein Diener die Anstandsdame spielen.“
„Lord John, ich vertraue Ihnen Ihre Ladyschaft an“, verkündete Miss Wood. „Ich brauche Sie wohl nicht daran zu erinnern, dass Sie gut auf sie aufpassen sollen. Lady Diana, Sie kommen mit mir. Außer, Sie wollen mit ihnen gehen und auch die italienischen Bilder studieren.“
„Komm mit uns, Diana“, bat Mary, bereit, den Streit beizulegen. „Wir können uns zusammen die Bilder anschauen.“
„Ich gehe lieber mit Miss Wood“, erwiderte Diana schnippisch. „Ich weiß zumindest, wann ich mich nicht aufzudrängen habe.“
Marys Finger schlossen sich fester um Johns Arm. „Nun gut, Diana. Viel Vergnügen. Mylord, lassen Sie uns diese Bilder suchen.“
Mit Gervais als Führer, der alle zwanzig Schritt eine kleine Verbeugung vor ihnen machte, gingen John und Mary durch ein Labyrinth von großen Empfangsräumen und nur wenig kleineren Salons. Doch trotz der zur Schau gestellten Unmenge an versilberten Möbeln und Parkettböden, venezianischen Spiegeln, Damastvorhängen und alten Wandteppichen, war Johns Aufmerksamkeit von der Frau an seinem Arm gefesselt.
„Ich bin froh, dass Sie heute mit mir sprechen“, begann er. „Ich war mir nicht sicher, ob Sie es tun würden.“
„Ich war mir nicht sicher, ob Sie überhaupt mit uns fahren würden“, erwiderte sie. „Letzte Nacht sagten Sie, Sie würden es nicht tun.“
„Ich habe mich heute Morgen anders entschieden.“ Ihm gefiel, wie ihre Finger leicht und voller Vertrauen in seiner Armbeuge ruhten.
„Ich bin froh.“ Sie ließ einen kleinen Seufzer hören, als hätte dieses Geständnis sie beträchtliche Anstrengung gekostet. „Ich sollte Ihnen für letzte Nacht danken und mich gleichzeitig auch entschuldigen.“
„Sie müssen weder das eine noch das andere tun“, sagte er. „Ihre Schwester zurückzuholen war eine Selbstverständlichkeit. Dafür müssen Sie mir nicht danken. Und was die Entschuldigung betrifft – ich wüsste nichts, was Sie angestellt haben, das einer Entschuldigung bedürfte.“
Mary senkte den Kopf. Ihr Gesicht verschwand ganz hinter dem breiten Rand ihres Hutes, und solange sie geradeaus blickte, waren ihre Gefühle ebenso gut verborgen wie ihr Gesicht.
„Hörten Sie nicht, was meine Schwester letzte Nacht in der Kutsche sagte?“, fragte sie. „Bis zum Jüngsten Gericht muss ich Sie deswegen um Verzeihung bitten.“
Er legte die Hand über ihre Finger. „Außer dem Hufgetrappel der Pferde hörte ich nichts“, sagte er und blieb dabei nahe genug an der Wahrheit. Er hatte wahrlich Besseres zu tun, als sich in den Streit der zwei Schwestern einzumischen. „Auf jeden Fall nichts, das eine Entschuldigung verlangte.“
„Dann sind Sie nicht nur liebenswürdig, sondern auch taub.“
„Wenn nötig, kann ich beides sein.“
„Wie nützlich.“ Sie lachte verlegen.
„Nach der letzten Nacht konnte ich Ihre Lage besser verstehen.“
„Sie meinen, was Diana betrifft.“ Mary seufzte. „Seit letzter Nacht verstehe ich sie vielleicht auch besser. Sie ist meine einzige Schwester. Wir haben nur uns. Doch was ich für Fürsorge und Hingabe halte, empfindet sie anscheinend als ekelhafte Unterdrückung. Es ist schon ein merkwürdiges Dilemma.“
„Nicht, wenn Sie sie vor dem sicheren Verderben retten.“
„Allerdings dann nicht, wenn sie das Verderben nicht als Untergang empfindet, sondern als eine Art von Erlösung.“ Wieder seufzte sie. „So närrisch Diana sich auch manchmal gibt, so überraschend klug kann sie sein und Dinge bemerken, die ich nie gesehen habe.“
„Allerdings hat sie in Ihrem Engel gar nichts gesehen.“
„Überhaupt nichts“, stimmte Mary ihm zu, „aber das meinte ich nicht. Sie beobachtet Leute und ihr Verhalten besser als ich. Zum Beispiel hat sie bemerkt, dass Sie nie über Ihr Heim oder Ihre Familie sprechen. Sie fragte sich sogar, ob Sie unter Ihrem eigenen Namen auftreten oder unter einem anderen.“
Sofort erwachte Abwehr in ihm. „Ich hätte nie gedacht, dass Lady Diana so zum Argwohn neigt.“
„Sie ist nicht argwöhnisch“, entgegnete Mary bedächtig, „bloß aufmerksam. Und gerade vorhin, da Sie zu zögern schienen, als der Diener Sie nach Ihrem Namen fragte, befürchtete ich, sie könnte recht behalten.“
„Das wird sie nicht“, widersprach er so bestimmt, wie er
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