Lady Punk - Roman
und legte die Füße auf den Tisch. Sie zog sich die Obstschale heran und nahm sich eine Hand voll Kirschen.
»Words just stay on the tip of my tongue«, sangen die Beatles.
Terry kaute von einer Kirsche das Fruchtfleisch ab und nahm den abgelutschten Kern zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand. Die Tür zum Wohnraum ging auf. Terry ließ den Kern abflutschen. Sie traf Onkel Hugos helles Sommerjackett.
»Oh, Verzeihung«, sagte Terry.
Die Mutter und Onkel Hugo machten entsetzte Gesichter. Dabei war nichts passiert. Es hätte noch viel besser werden können.
II
Nach einer fürchterlichen Fahrt, die zwei Tage lang dauerte, waren sie in Italien angekommen. Es war so fürchterlich gewesen, weil sie sich im Autozug nicht vermeiden konnten. Terry hatte sie alle um sich herum, auch, bis auf nachts, Onkel Hugo.
Nach diesen zwei Tagen hatte sie die Nase so voll, dass sie fast dankbar war, als sie das Haus erreichten. Hier zog sich Terry auf ihr Zimmer zurück, und obwohl sie nicht wusste, was sie machen sollte, genoss sie den Abstand von den anderen. Es dauerte einen weiteren Tag, dann war es fast so wie in Berlin. Sie begegneten sich meistens in der Küche, die auch bald chaotisch aussah, bis die Mutter es schaffte, eine Frau aus dem Dorf zu bekommen, die das tägliche Aufräumen besorgte.
Terry saß auf der Gartenmauer und baumelte mit den Füßen. Das Haus lag an einem sanften Hang. Trockene Wiesen unter ihr mit einzelnen Zypressen. Ganz hinten das Dorf. Dann das Meer.
Das Haus, das Lieschen vor Jahren gekauft und auf die Mutter überschrieben hatte, war eines der letzten Häuser in dieser Gegend. Man konnte es von der Stadt aus kaum erkennen. Es gab in einiger Entfernung Nachbarhäuser. Die meisten Sommergäste wohnten in einem Haus ohne Swimmingpool. Sie mussten täglich durch das Dorf ans Meer, um ins Wasser zu gehen. Obwohl die Anmietung von Häusern ja auch einiges gekostet haben musste, hielt Terry die Leute, die im Meer badeten, für arm. Und Armut war so was wie eine Krankheit.
Das Haus, das genau neben ihnen und auf gleicher Höhe lag, war jedes Jahr von einem Ehepaar bewohnt worden, mit dem die Mutter und Onkel Hugo fast täglich Bridge gespielt hatten. Diese Leute hatten das Haus aber im Frühjahr verkauft. Wieder war es ein Ehepaar, dem das Haus jetzt gehörte. Die Mutter war nervös, weil sie die Leute noch nicht kannte. Sie fürchtete sich auch wohl vor einem langweiligen Sommer ohne Bridgepartie.
Die Mutter und Onkel Hugo lagen am Pool in Liegestühlen. Lieschen kümmerte sich um die verwelkten Blüten der unzähligen Rosenbüsche am Haus. Mit einer Gartenschere schnitt sie die Blüten ab und legte sie vorsichtig in einen kleinen Plastikeimer. Ihre Hände hatte Lieschen gegen die Stacheln an den Rosenästen durch ihre hellen Seidenhandschuhe geschützt.
Es gab nichts zu tun, als mit den Beinen zu baumeln. Wenn Terry blinzelte, sah der sanfte Hügel wie in blau-gelbes Licht getaucht aus. Die Hitze hatte die Landschaft mit einem diesigen Schleier bedeckt, durch den ein sandiger Weg vom Haus an die Küste führte.
Dort war das Dorf. Ockerfarbene Häuser, eng aneinander gereiht, und alle hatten die gleichen hellroten Dachpfannen. Danach das Meer. Blau, tatsächlich wie auf einer Postkarte, und sehr still, unbeweglich. Sollte es überhaupt rauschen, dann drang das Geräusch nicht bis hierhin.
Am Haus gab es andere Geräusche. Unaufhörliches Gezirpe von Heuschrecken, fast wie das Summen einer elektrischen Überlandleitung. An den heißesten Stunden des Tages schwoll es zum Gebrüll an. Manchmal war es nicht auszuhalten und Terry hielt sich die Ohren zu oder drückte ihr Kopfkissen dagegen. Es nützte nichts. Sie mussten durch die Stunden der Grillen hindurch. Später war es dann auf einmal schlagartig ruhig. Es war wie eine Erleichterung. Die Landschaft bekam plötzlich ein anderes Licht, weniger grell, aber eine Spur intensiver, etwas mehr blau.
Jeden Tag nach den Stunden der Grillen am späten Nachmittag wurde es kühler. Oft ein Abendgewitter. Terrys Nerven wurden wieder glatt. Sie schaute hinaus. Italien war sehr schön.
Terry hatte schon den halben Vormittag auf der Mauer gesessen und wirklich die Zeit totgeschlagen. So ging es nicht weiter, nicht noch all die kommenden Wochen hindurch, sie würde noch verrückt werden. Terry entschloss sich, was zu unternehmen, mindestens einfach loszulaufen, irgendwohin, nach unten, ans Meer. Vielleicht war irgendwo was los. Hier oben jedenfalls
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