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Lady Punk - Roman

Lady Punk - Roman

Titel: Lady Punk - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beltz & Gelberg
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Gänsehaut.«
    »Stellen Sie sich nicht so an«, sagte Lieschen dann. »Der hat noch keiner Fliege was zuleide getan.«
    Der verrückte Herbert wohnte zwei Häuser weiter. Die meisten Häuser auf dieser Straße hatten einen gemeinsamen Hinterhof oder zumindest die Gärten stießen aneinander. Es war kein Platz zum Spielen. Es gab sowieso kaum Kinder in der Gegend. Man konnte aber vom Fenster hinaus nach unten schauen und das Grün betrachten. Terry liebte diesen Ausblick, auch den von oben herab auf die Dächer und die Mansarden und besonders den nach vorne hinaus auf die Deutsche Oper.
    Niemand verstand, warum Lieschen Herbert beschäftigen ließ. Lieschen hatte versucht, das zu erklären. Herberts Mutter war so alt wie Lieschen. Sie war Hausmeistersfrau. Aber vorher, lange vorher, war sie mit Lieschen in die gleiche Schule gegangen und manchmal waren sie sich sogar draußen begegnet. Lieschen war in dem Haus geboren worden, es war so was wie ihre Heimat, deswegen wollte Lieschen das Haus auch nicht ganz verkaufen. Und warum sie dann den Herbert beschäftigte? »Weil es mir viel besser geht«, sagte Lieschen. »Diese Leute können nichts dafür. Es ist Schicksal. Deshalb sollte man dankbar sein.«
    Sie hatte Terry verboten, den verrückten Herbert zu necken. Und auch alle anderen im Haus hatten sich an ihn gewöhnt, so wie man sich an ein Haustier gewöhnt, ja, so etwa.
    Der verrückte Herbert drückte für Terry den Fahrstuhlknopf. Er zog das schmiedeeiserne Gitter auf. »Gute Fahrt, Madam«, sagte er und salutierte. »Alles einsteigen, Türen schließen, der Zug fährt ab.«
    Terry schob sich in der Küche ein paar Schinkenscheiben in den Mund. Sie rührte Kakao in ein Glas Milch und trank es in einem Zug leer. Mit dem Handrücken wischte sie sich den Mund ab.
    Im Wohnzimmer legte Terry eine ihrer alten Beatles-Platten auf, die sie liebte und die die Mutter für barbarisch hielt. »Im Ernst«, hatte die Mutter gesagt. »Schon zu meiner Zeit haben sie das Zeug gespielt. Die Texte sind barbarisch.«
    Terry schaute aus dem Fenster nach vorn zur Straße. Sie müssten gleich kommen, die Mutter und Lieschen. Die Mutter würde sich sofort über die Beatles-Musik aufregen.
    Morgen hatten sie eine lange Fahrt vor sich. Zuerst mit dem Autozug nach München und weiter nach Rimini. Dann mit dem Wagen durch Italien. Sicherlich würde Onkel Hugo fahren. Wofür hatte die Mutter ihn denn sonst?
    Terry sah, wie die Patienten von Dr. Gutbrod das Haus verließen. Es musste ihn also noch geben. Schade, dass die Polizei langsam war und ihn noch nicht fertig gemacht hatte. Aber vielleicht morgen, ja sicher. Leider würde sie von der ganzen Aktion nichts mitbekommen.
    Die Mutter und Onkel Hugo kamen vorgefahren. Terry sah den weißen Mercedes von weitem. Onkel Hugo hielt direkt vor dem Haus und stieg aus. Die Mutter wartete, bis Onkel Hugo um das Auto herumgelaufen war und ihr die Tür öffnete. Dann stieg auch sie aus. Onkel Hugo öffnete den Kofferraum und die Mutter entnahm einige Päckchen. Sie ging in das Haus, ohne sich nach Onkel Hugo umzuschauen. Der drückte den Kofferraumdeckel zu und überprüfte, ob die Türen geschlossen waren.
    Terry spuckte von oben hinab auf die Straße. Der Wind trieb ihre Spucke aber seitwärts ab. Es war sinnlos. So würde sie Onkel Hugo nicht treffen. Sie sah hinunter auf seine kohlpechrabenschwarzen Haare, die bestimmt gefärbt waren. Sie hasste Onkel Hugo. Sie fand alles an ihm widerlich. Selbst die Art, wie er ging. Wie er seine Beine nach vorn schwang, um sie dann doch schon kurz vor dem anderen Fuß auf den Boden zu setzen. Seine Füße in modischen Schuhen. Zweifarbiges Leder. Es fiel ihr jetzt erst auf. Onkel Hugo trug ähnliche Schuhe wie Karl-Heinz Gutbrod. Und wenn sie recht überlegte, auch vorzugsweise in Schwarz-Weiß.
    Es war echt zum Kotzen. Terry wandte sich vom Fenster ab. Sie war nervös. Sie fühlte sich erbärmlich. Wie sollte sie es wochenlang mit den beiden aushalten? In einem heißen, weiten Land. Lieber würde sie zu Hause bleiben. Auch allein. Lieber allein. Sie würde schon was aufreißen. Der Tag heute war doch ein guter Tag gewesen, rundum ausgefüllt. Obwohl irgendetwas fehlte. Irgendetwas. Es war, wenn sie es recht überlegte, noch ein großes, unbefriedigtes Gefühl in ihr. Wie ein Loch in der Mitte des Körpers.
    Als sie die Mutter und Onkel Hugo vor der Tür hörte, stellte Terry den Plattenspieler lauter. Dann setzte sie sich schnell auf einen Stuhl vor dem Essplatz

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