Lady Punk - Roman
holte sich aus dem Badezimmer Nagellack in einem so dunklen Rot, dass es fast schwarz war. Sie setzte sich auf den Rand des Schwimmbeckens und zog jeweils ein Bein an, um die Zehennägel langsam und sorgfältig zu lackieren. Der Schein der Gartenlaterne reichte gerade aus, um genug zu sehen. Wenn Terry hochblickte, erkannte sie auch die vier Spieler. Sie würde merken, wenn es losging.
Nichts ging los, der Abend verstrich. Im Schein der Gartenlampe tanzten die Mücken, die sich hin und wieder auch verflogen und auf Terrys Arm setzten, wo sie sie wegpusten musste, weil sie nach der Bearbeitung ihrer Zehennägel auch noch die Fingernägel frisch lackierte und nichts dabei berühren durfte.
Die Grillen auf dem dunklen Wiesenstück hatten jetzt eine andere Tonart als während des hitzigen Tages. Es war eher ein beruhigendes Summen, der Hintergrund für einzelne Solisten, die mal näher, mal ferner eine abweichende Melodie versuchten und die Monotonie des Grillengesanges unterbrachen. Lieschen, die nun wirklich nicht mehr lesen konnte, ging schließlich zu Bett. Isabel ließ im Bad Wasser über die Handgelenke fließen. Man hörte das leise Rauschen des laufenden Wasserhahns bis hinaus in den Garten.
Onkel Hugo musste öfters Geld holen, er schien zu verlieren. Er knipste das Licht im Wohnraum an und suchte in seinem Portemonnaie. Wenn er das Medaillon gefunden haben sollte, so ließ er sich jedenfalls nichts anmerken.
Bernd machte dem Abend schließlich ein Ende. Er war der Gewinner und deshalb sehr glücklich. »Pech im Spiel, Glück in der Liebe«, sagte er zu Onkel Hugo und niemand lachte über den Witz. Bernd gähnte und streckte sich. »Auf, Frau«, sagte er zu Isabel. »Morgen ist auch noch ein Tag.«
Man verabschiedete sich laut und mit gegenseitigem Küsschen.
Terry war überzeugt, dass Onkel Hugo Isabel dabei etwas ins Ohr flüsterte.
Terry konnte nicht schlafen. Sie saß am Fenster, das zwar weit offen stand, aber nach außen durch ein Fliegenschutzgitter abgedichtet war. Sie saß dort die halbe Nacht. Erst weit nach Mitternacht wagte sich Onkel Hugo aus dem Haus. Es amüsierte Terry, wie er alle Schleichwege benutzte, um nicht über die losen Kiesel laufen zu müssen. Von der Terrasse kletterte er auf die gemauerte Gartenabgrenzung, die bis zu den festen Platten rund um das Schwimmbad führte. Von dort konnte er quer hinüber zur Grundstücksmauer laufen. Er suchte sich ein Stück aus, das nicht vollständig von der Blütenhecke bedeckt war, stellte sich mit einem Bein auf den Vorsprung und hob das andere hinüber. Einen Moment lang saß er wie ein Reiter rittlings auf der Mauer. Dann schwang er sich vollends auf die andere Seite. Terry hörte nur noch einen gedämpften Ton, als er auf dem Sandweg aufkam. Sie war überzeugt, dass Isabel sich dort gleich einfinden würde, wenn sie nicht schon auf ihn wartete.
Plötzlich fand Terry die ganze Geschichte albern und sogar widerlich. Sie fragte sich, wo sie es miteinander treiben würden. Vielleicht noch auf der Grillenwiese oder im Stehen an die Mauer gelehnt, wie sie es in Filmen gesehen hatte, in denen solche Verrenkungen aber schier unglaubhaft erschienen und für die Onkel Hugo sowieso keinen Mumm hatte, das wettete sie. Aber was sollten sie sonst machen. Miteinander reden konnten sie nur über Bridge und gegessen hatten sie schon. Vielleicht gingen sie hinunter zum Strand und betrachteten den Mond. Aber für solche Kinderei hatte die Geschichte zu lange gedauert. Die Sache war gelaufen, und Terry wünschte nur, dass ihre Mutter es so bald wie möglich mitbekam, zur Strafe dafür, dass sie jemanden verlassen hatte.
Terry setzte sich auf ihr Bett und zog das Foto von C. W. Burger heraus. Sie spürte eine große Zärtlichkeit in sich. Sie würde sich an der Mutter rächen, wie er es nie tun konnte. Er hatte es vorgezogen, zu flüchten. Terry war aber da, notgedrungen, und ihre Wut war mit der Zeit nicht schwächer geworden, sondern von Jahr zu Jahr gestiegen. Und mit dieser Wut, mit so einer Art heiligem Versprechen schlief Terry doch ein. Eine kurze Zeit, denn es war bald Morgen.
Man konnte Onkel Hugo die letzte Nacht nicht ansehen. Er sah aus wie immer und schien das Frühstück zu genießen. Terry hatte erwartet, dass er gleich reinen Tisch machen würde. Seine Heuchelei brachte sie in Rage, sie konnte Onkel Hugo nicht mehr anschauen. Als er bei Beendigung des Frühstücks die Hand der Mutter nahm und ihre Fingerspitzen küsste, hielt Terry es nicht
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