Lady Punk - Roman
schien nicht böse zu sein und Terry war darüber unsagbar froh. Marcel hielt sie am Ellenbogen und ließ nicht mehr los, schob sie ein wenig zur Seite, dass die Leute vorbeikonnten, und schließlich liefen sie wieder in Richtung Hafen. Es war Mittagszeit.
»Ich habe mich bescheuert benommen«, sagte Terry und meinte es wirklich, aber Marcel beruhigte sie. »Eigentlich gar nicht«, sagte er. Und zum ersten Mal in ihrem Leben meinte Terry, jemandem vertrauen zu können, zu vierundneunzig Prozent jedenfalls. Sie zog C. W. Burgers Foto aus der Tasche und reichte es Marcel.
»Jetzt verstehe ich alles«, sagte Marcel. »Ist das der Typ, mit dem du Schluss gemacht hattest? Du hängst wohl noch an ihm.«
Es verwunderte Terry, dass Marcel die Beziehung zwischen ihr und dem Mann auf dem Bild so missverstand, und sie erklärte.
Marcel verstand es trotzdem nicht. »Aber er ist so jung«, sagte er. »Es ist rein technisch gar nicht möglich.«
Und Terry schaute auf das Bild, und wirklich, sie sah es mit anderen Augen, nicht die kleine Terry betrachtete es jetzt, die vierjährige, sondern das fünfzehnjährige Mädchen, das aussah wie mindestens siebzehndreiviertel.
Ihr Vater musste ungefähr zweiundzwanzig Jahre alt gewesen sein, als das Bild aufgenommen wurde, vielleicht in seiner College-Zeit. Er war jung und kraftvoll und strahlend und Marcel hatte Recht: Wenn es nicht ihr Vater wäre, könnte Terry es mit so einem aufnehmen, und auch Marcel war kein Schuljunge mehr. Terry schätzte ihn auf neunzehn, zwanzig.
Vierundneunzig Prozent der Geschichte erzählte Terry Marcel, die sechs Prozent behielt sie bei sich, besonders die Sache mit ihrem Alter war zu heikel oder eher etwas schamvoll. Und Onkel Hugo und Company war auch kein Thema.
»Wenn du so an ihm hängst«, sagte Marcel, »dann schreib ihm doch.«
Aber das war doch das Problem, C. W. Burger war nicht greifbar, seitdem die Mutter seinerzeit diese Tötungsaktion vorgenommen hatte und den Vater und alles, was mit ihm zu tun hatte, in Grund und Boden gestampft hatte.
»Aber«, sagte Terry, »er hat was mit Pittsburgh zu tun.«
Marcel sah auch durch die Lupe. Und er kannte sich aus. Pittsburgh Pirates stand auf C. W. Burgers T-Shirt geschrieben und Marcel wusste Bescheid. »Das ist ein bekannter Baseballclub«, sagte er, »bekannt wie im Football die Dallas Cowboys und die Miami Dolphins zum Beispiel. Keine Ahnung?«
»Keine Ahnung«, sagte Terry.
Aber Marcel wusste, wie das war. Er besuchte in Frankreich die Universität und hatte jetzt diesen Ferienjob und wirklich, er war zwanzig Jahre alt. Er wusste, wie das in Amerika war, dass nämlich Sport überall groß geschrieben würde und dass niemand, er sagte: niemand , den Kontakt zu seinem Club verlöre, im ganzen Leben nicht. »An den Baseballclub Pittsburgh, Pittsburgh Pirates«, sagte Marcel, »zu Händen deines Vaters, das kommt an, bestimmt, sie werden alles weiterleiten.«
Und das Gefühl des Fliegens setzte bei Terry wieder ein. Mein Gott, dachte sie, was für ein Tag, und ist so was Zufall?
Terry hatte bisher immer an sich geglaubt, nur und ausschließlich, aber jetzt dachte sie, dass es vielleicht ein Schicksal gab, und sie fühlte sich ganz wohl dabei. Es war noch nichts schief gelaufen, es lief alles in eine Richtung und Marcel gehörte dazu.
Es rutschte dann auch einfach aus ihr raus, als Marcel sie für abends in die Disco einlud, und ihre sechs Prozent Risikozuschlag, die sie für sich behalten wollte, waren fast aufgebraucht. »Ich kann doch nicht mit, ich bin noch nicht sechzehn«, sagte sie und dachte an all die Klimmzüge, die sie schon in Berlin gemacht hatte, um hineinzukommen, aber die hatten alles aufgeboten, die Typen vom Jugendamt und Sozialarbeiter vom Bezirk und die Polizei.
Marcel warf es dann auch fast um, als er die Wahrheit über Terry erfuhr. Er vergrub sein Gesicht in den Händen und schüttelte den Kopf, und wahrscheinlich dachte er jetzt daran, dass er es in seiner Kneipe auf diesem großen Holztisch fast mit ihr gemacht hatte. Fast mit einem Kind, dachte er jetzt sicherlich.
»Nun stell dich nicht so an«, sagte Terry. »Es kommt nicht auf das Alter an, sondern auf die Qualität.«
Marcel ließ seine Hände sinken und lachte los. Dann stand er auf und zog Terry hoch. Normalerweise hätte Terry sich gegen so was gewehrt. Sie tat nie, was jemand wollte. Aber sie hatte plötzlich nichts dagegen, dass Marcel sich so benahm.
Marcel sah ihr ins Gesicht und lachte. Terry hatte
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