Lady Punk - Roman
erzählen, aber es war die Wahrheit. Und warum spukte er noch in ihrem Kopf herum? Es war aus und vorbei. Aber Terry war darüber hinaus verrückt geworden. Griff sich kleine Jungen, Josef, den Maler. Bah, sie würde ihm nie, nie mehr in die Augen sehen können und wünschte ihm den Tod.
Schließlich hatte Lieschen alles noch schlimmer gemacht. Terry hatte das Spiel »Ich-will-dich-Ich-will-dich-nicht« gespielt, aber Lieschen hatte eine Variante hineingebracht, so etwas wie Gefahr. Seitdem traute Terry sich nicht, auch nur einen Jungen normal anzusehen, sie stand schon bei dem Gedanken an Jungen in Flammen.
Terry warf sich herum auf den Bauch, tauchte etwas und kraulte eine gewaltige Strecke, dass das Wasser nur so gischte. Sie musste in die Nähe der Surfer gekommen sein. Ein Brett schwamm vor ihr und Terry steuerte darauf zu und hielt sich fest. Sie war froh, sich festhalten zu können. Sie war durch die Anstrengung des Schwimmens außer Atem.
Das Surfbrett gehörte dem Blonden, denn der tauchte ein Weilchen später auf der anderen Seite auf. Er hatte das Brett wohl verloren gehabt.
Der Blonde klammerte sich an das Brett, sah Terry an, genau in ihre Augen, und in ihr fing das alte Spiel wieder an, und das hieß »Ach-ich-bin-ja-so-verwirrt«. Terry hasste sich. Sie musste dem Blonden auch in die Augen sehen, sie kam gar nicht davon los, und – wahrhaftig – in ihrem Mund lief das Wasser zusammen.
»Hey«, sagte der Blonde.
»Hey«, krächzte Terry. Dann ließ sie mit einer Hand das Brett los, stützte sich mit der anderen kurz auf das Brett und haute ab. Schwimmen konnte sie auch! Es war eine Flucht.
Am Strand packte sie ihre Sachen zusammen, legte sich nur das Handtuch über die Schulter und ging los. Sie wollte nach Hause. Aber wo war das? Oben im Haus, wo sie sowieso verrückt spielten oder Bridge? Eher schon Berlin, aber sie erinnerte sich schwach, dass es auch dort nicht so klar war. Sie hatte dort doch eine eigene Wohnung oder hatte sie sich auch das ausgedacht? Im Jahrhundertsommer passierten Katastrophen, hatte Lieschen gesagt. Das ganze Jahr war eine einzige, große Katastrophe.
Terry blieb vor dem Schaufenster eines Souvenirladens stehen. Sie klemmte sich Hose und T-Shirt zwischen die Beine und rubbelte sich mit dem Handtuch das Haar durch. Ihr Bikini war fast gänzlich trocken. Sie zog sich das Baumwollhemd über, das arg zerknittert war. Dann schlug sie das Handtuch wieder über die Schulter.
Es gab auch Spielzeug in dem Geschenkladen, kleine Puppen und Stofftiere. Ein rosa Bär hatte es Terry angetan. Er war so groß wie ihre ausgestreckte Hand und trug ein Medaillon um den Hals. Darauf stand »Love«.
Es war, als ob Terry den Bären schon ewig kannte, als ob er da auf sie gewartet hatte. Sie ging in den Laden, kramte Geld aus der Tasche ihrer kurzen Hose, die sie mit sich herumtrug, und kaufte den Bären. Sie war wunderbar getröstet, als sie ihn in der Hand hielt. Sie beschloss, sich in der nächsten Pizzeria satt zu essen.
Sie schaffte zwei Portionen Spaghetti Bolognese, eine Pizza Margherita und eine Pizza Salami. Es war nicht wie bei McDonald’s oder Burger King, aber es war annehmbar. Sie fühlte sich hinterher okay, und sie war überzeugt, dass sie krank gewesen war, weil ihr das Essen ein paar Stunden gefehlt hatte. Jetzt war alles gut. Der Tag war wieder normal, heiß und die Luft zum Anfassen.
Terry drückte einen Kuss auf den rosa Teddybären, bestellte sich noch eine Cola zum Mitnehmen und verließ das Lokal. Sie machte sich auf den Weg nach oben. So schlecht war dieser Tag gar nicht und in ihrem Kopf war alles zurechtgerückt.
So gut war dieser Tag aber auch nicht. Terry merkte es gleich, als sie schließlich nach diesem endlosen Fußmarsch oben ankam. Zunächst schien alles in Ordnung zu sein und wie immer. Lieschen war da. Sie hatte eingekauft und Terry eine romantische Bluse mitgebracht. Terry wollte Lieschen auch eine Freude machen und schrie los. Sie merkte, dass ihr das Schreien gut tat. Plötzlich hatte sie Lust, das ganze Dorf zusammenzuschreien. Sie brüllte rum, dass Lieschen sich wirklich freute und die Ohren lachend zuhielt. Onkel Hugo sah die Mutter vorwurfsvoll an und die Mutter sah etwas entschuldigend auf Bernd und Isabel.
Terry war es egal, oder eher, es ärgerte sie schon, dass die Mutter und Onkel Hugo so schauen mussten, und sie beschloss, es ihnen heimzuzahlen, besonders Onkel Hugo. Terry hatte ihren alten Elan wiedergewonnen. Diesen Abend wollte sie
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