Lady Punk - Roman
war Zeit, sich umzudrehen und an die Heimfahrt zu denken. Es war ein verlorener Sommer gewesen.
Als die Mutter wiederkam, gab es nicht viel zu berichten. Abgesehen von ihrer Angewohnheit, Terry sowieso nicht in ihre Angelegenheiten einzubeziehen, gab es nur eine Neuigkeit, die die Mutter mit fünf Wörtern umschrieb. »Bernd fährt uns nach Hause«, sagte sie.
Lieschen war aus irgendeinem Grunde so wütend, dass sie aufsprang und mit ihren Waden die Liege so heftig berührte, dass diese fast seitlich ins Kippen kam. Sie war gar nicht in der Lage, etwas zu sagen, aber die Mutter schien sich doch für etwas entschuldigen zu müssen. »Irgendjemand muss uns doch fahren«, sagte sie.
Das Thema war damit erledigt. Die Mutter ging ins Haus. Sie schien unendlich befreiter als vor ihrem Weggang.
Terry wollte sich nicht zu viele Gedanken um die Mutter machen, aber deren Fröhlichkeit war wie ein warnendes Zeichen. Lieschen, die vor sich hinzuschnaufen schien, war mit der Situation ganz und gar nicht zufrieden. Aber wollte sie etwa das Auto bis zum Autozug nach Rimini fahren? Für die Mutter kam das sowieso nicht in Frage. Längere Strecken würde sie nur im Katastrophenfall mit dem Wagen selbst erledigen und eine Katastrophe war nicht da, zumindest schien sie im Moment total abgewendet.
Terry ging hinüber zu Lieschen, die sich wieder gesetzt hatte. Von oben herab sah Lieschen noch zierlicher, noch winziger aus. »Soll er uns nicht fahren?«, fragte Terry.
Aber Lieschen schien sie gar nicht zu hören. »Ich habe es kommen sehen«, sagte sie.
»Dass er uns fährt?«, fragte Terry.
»Es gab eigentlich keinen anderen Weg, aber dass sie ihn auch wirklich gehen muss, immer und immer wieder«, sagte Lieschen.
Terry setzte sich neben die Großmutter. Sie hätte gerne Lieschens Hand in die ihre genommen, oder eigentlich hätte sie es gern umgekehrt gehabt, aber keiner rührte sich. Lieschen hielt die Hände im Schoß und Terry hatte die Ellenbogen auf die Knie gestützt und ließ die Hände baumeln.
»Was macht er denn mit seinem Auto?«, fragte Terry.
Und Lieschen schien die Frage zu verstehen. Sie war bitterböse, als sie antwortete, und Terry hatte den Eindruck, auch mit ihr. »Sie ist doch mit dem Wagen weg«, sagte Lieschen. »Sie sind beide damit auf und davon.«
Terry merkte auf einmal, dass nicht nur die Mutter in eine peinliche Lage gekommen war, sondern dass Bernd sich in derselben Situation befand. Sie waren beide solo und irgendwie sitzen gelassen. Es war eine schöne Geschichte und so köstlich, dass Terry lachen musste.
»Dir wird das Lachen noch vergehen«, sagte Lieschen. »Dass du dich auch reinmischen musstest. Was hast du uns da eingebrockt?«
»Es kann nur noch besser werden«, sagte Terry und dachte an Onkel Hugo, den sie nie mehr sehen würde.
»Es kann auch noch schlimmer werden«, sagte Lieschen.
»Wieso?«, fragte Terry. »Er ist doch weg.«
»Und er ist da«, sagte Lieschen und zeigte mit dem Kopf in Richtung auf das Nachbarhaus.
Aber Lieschen würde Unrecht haben. So blöd konnte keiner sein, dass er zweimal dasselbe machen würde. Die Mutter müsste nur erst in Berlin sein, dann hätte sie genug Ablenkung.
Und dann umarmte Lieschen Terry. Ganz kurz und schnell und heftig. Terry war ja viel größer als Lieschen und musste ihre Nase bei dieser spontanen Umarmung fest in Lieschens Haar drücken, das nach einer Mischung aus Rosenwasser und Babypuder roch.
»Du kannst ja nichts dafür«, sagte Lieschen. »Verzeih mir. Sie ist eben so. Sie kann eben nicht ohne.« Dann ließ die Großmutter Terry ganz schnell wieder los. »Ich muss nur noch da sein, bis du groß bist«, sagte sie. »Hoffentlich hast du nicht zu viel von ihr. Manchmal habe ich Angst.«
»Ich bin nicht wie sie«, sagte Terry. Sie war unheimlich froh über das, was Lieschen gesagt hatte. Es bestand die Chance, dass sie eine Menge von C. W. Burger hatte, ihrem Vater, und das machte sie fast glücklich. Es überdeckte die draußen am Strand, im Meer verlorenen Gefühle, die Liebe gewesen sein mussten oder was denn sonst, und sie spürte es ganz fest, wie es sich in ihr ausbreitete, Freude oder so was wie Hoffnung, eine unendliche Sehnsucht.
Sie nahm Lieschens Hand, sie konnte gar nicht anders, sie drückte einen Kuss auf Lieschens leicht geballte Faust.
Lieschen wiederholte die Worte, die sie vorher schon an die Mutter gerichtet hatte. Beherrsch dich, Christa, hatte sie gesagt. Nur jetzt klang es etwas anders. »Beherrsch dich,
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