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Lady Punk - Roman

Lady Punk - Roman

Titel: Lady Punk - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beltz & Gelberg
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zog es vor, daraufhin überhaupt nicht zu reagieren. Sie schob sich einen Kaugummi in den Mund, kaute gründlich durch und zog dann aus dem Doublemint lange Fäden. Es musste Bernd faszinieren. Jetzt hörte er nicht auf, Terry anzustarren.
    Der Kaugummi klebte mächtig an Terrys Fingerspitzen, als sie ihn in den Mund zurückziehen wollte. Beim Versuch, ihn von Daumen und Zeigefinger zu lösen, pappte er erst recht an den anderen Fingerkuppen. Terry musste das Bubblegum mit den Zähnen einzeln von den Fingerspitzen abreißen. Reste blieben kleben. Da hatte Terry was zu tun. Sie knibbelte den Kaugummi, der nun so hart wie getrockneter Klebstoff war, von den Kuppen. Die letzten Fetzen musste sie wie Popel zwischen den Fingern rollen, um sie abzubekommen. Was dann herunterfiel, hatte auch eine ganz andere Farbe bekommen, Graubraun oder schon eher Anthrazit.
    »Kannst du nicht aufhören?«, fragte die Mutter.
    Terry ignorierte die Frage. Sie blies jetzt Bubbles mit dem Kaugummi. Die ersten Blasen waren nicht so toll. Sie rissen schnell ein und klebten auf ihren Lippen. Aber richtig weich gekaut, gab es Riesenbälle, die knallend aufsprangen und fast ihre ganze Nase bedeckten.
    Ihr Anblick hielt Bernd schließlich davon ab, Terry anzusehen. So zog sie sich in aller Ruhe die hochgeflogenen Gummifetzen vom Gesicht. Sie streckte sich lang aus, so dass Bernd Schwierigkeiten hatte, seine übereinander geschlagenen Beine über ihren Füßen, die lang und hochgereckt vor seiner Sitzbank lagen, zu wechseln.
    Er musste einen Krampf bekommen haben, denn als er plötzlich aufstand und »Komm, wir gehen in den Speisewagen« sagte, knickte er leicht in den Knien ein. Terry bemerkte, wie ihm das Blut wie Ameisen in den Beinen kribbelte, und wünschte ihm ganze Nester davon.
    Ihre Mutter stand auf. Sie hatte kritisch die Stirn gerunzelt und sah auf Terry hinab.
    »Das gibt Falten«, sagte Terry, soweit der halb in den Mund gezogene Kaugummi es zuließ. Und da die Mutter sie wohl nicht verstand, tippte Terry sich auf die Stirn. »Da«, sagte sie. »In deinem Alter sollte man aufpassen und nicht solche Grimassen schneiden.«
    »Ich werde nicht mit ihr fertig«, sagte die Mutter, und es war die alte Leier, die auch nichts bringen würde, das sollte die Mutter doch wissen.
    Bernd reichte mit einem Arm an der Mutter vorbei zur Abteiltür und zog sie mit einigen Schwierigkeiten auf. Draußen legte er den Arm um die Mutter und führte sie zum Speisewagen.
    Lieschen schlief oder tat so. Es war nicht recht auszumachen.
    Draußen flog die Landschaft vorbei und versetzte Terry in eine leichte Hypnose. Sie kämpfte dagegen an. Den nun wirklich nichts mehr hergebenden Kaugummi klebte sie an den offen stehenden Deckel des Aschenbechers. Ihre Füße legte Terry auf den Sitz gegenüber, auf dem der dicke Hintern, der vorher darauf gesessen hatte, trotz der Erste-Klasse-Polsterung eine leichte Delle hinterlassen hatte.
    Terry schwebte ein bisschen zwischen Himmel und Erde, döste hinein in eine riesige Langeweile, und als die beiden vom Essen zurückkamen, musste sich in Terrys Kopf doch etwas getan haben. Sie zog die Füße eilends vom Sitz, sprang auf und bot eifrig mit einer Handbewegung den Platz an. »Bitte, setz dich doch, Onkel Bernd«, sagte sie.
    Mit Genugtuung sah sie, wie die Mutter nach Luft schnappte. Auch Lieschen seufzte leicht in ihrer Ecke, und da keiner widersprach, wusste Terry, dass sie den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
    Nur Onkel Bernd hatte nichts kapiert, aber er war ja auch noch nicht lange Teil der Familie. »Du kannst mich ruhig Bernd nennen«, sagte er.
    Aber da protestierte Terry. »Nein, wirklich nicht«, sagte sie. »Ich habe mich schon immer nach einem Onkel gesehnt. Ich hatte bisher nur so wenige.«
    Die Mutter ließ sich in die Polsterung des Eisenbahnabteils fallen und rieb sich die Schläfen mit dem unvermeidlichen Eisstift ein. Onkel Bernd grinste ein bisschen unsicher. Terry grinste zurück. Sie würde Onkel Bernd schon das Leben zur Hölle machen. Er würde schneller gehen, als er gekommen war.
    Lieschen hatte die Augen jetzt weit geöffnet, und als Terry zu ihr hinsah, war ihr, als ob Lieschen sie durchschaut hatte. Sie war so in sich gesunken und hockte in ihrer Ecke zwischen den Falten ihres Seidenmantels wie ein altes Orakel. An ihren Augen konnte Terry sehen, dass sie ihr nicht Recht gab. So schnell würde die Sache mit Onkel Bernd nicht ausgestanden sein. Wir werden sehen, dachte Terry. Sie wühlte in

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