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Lady Punk - Roman

Lady Punk - Roman

Titel: Lady Punk - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beltz & Gelberg
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sie durcheinander gebracht hatte, besonders wenn sie an Marcel dachte.
    Terry sah in den Spiegel. Sie hatte sich nicht nur schön gemacht. Sie war schön. Es zählte alles nicht, nicht ihre langen, muskulösen Arme, ihr etwas breites Gesicht, das störrische Haar, die Brauen, die immer zu buschig waren. Heute war alles perfekt, und sie verließ das Haus, um zu Marcel zu gehen.
    Von draußen versuchte sie, durch den Fliegenschutz in Lieschens Zimmer zu sehen. Die lag auf ihrem Bett und tat so, als ob sie schlief.
    Auch die Mutter drehte sich nicht um, als Terry ging. Sie stand wieder einmal an der Mauer, hatte ja auch sonst nichts zu tun. Was konnte jemand tun, der nur Bridge spielen konnte und dem die Partner dafür fehlten?
    Terry ging den Weg ins Dorf. Ihr begegnete die Frau aus dem Dorf, die zum Saubermachen kam und ihr Fahrrad den Weg hinauf schieben musste. Terry hob kurz die Hand. Sie hatte plötzlich die Vorstellung, dass die Frau den ganzen Kehricht oben auffegen würde, mitsamt der Mutter, und dann: ab in den Müll! Terry genoss diesen Gedanken.
    Die ganze Zeit über hatte sie das Gefühl, dass die Mutter ihr nachsah. Sie spürte direkt die Blicke im Rücken und musste an irgendeine Geschichte denken, in der eine Frau sich nicht umdrehen durfte, sie wäre zur Salzsäule erstarrt.
    Terry ging ganz lässig und schwang leicht mit den Hüften zur Seite, rechts und links, und jede Bewegung hatte eine Bedeutung, die sie der Mutter mitteilen wollte: Du bist passé, jetzt komme ich, Terry ist da, Terry Burger, Börger!
    Später fragte sich Terry, ob sie nicht alles lieber zurückgedreht hätte. Nicht das mit ihrer Mutter, das war schon richtig gelaufen. Aber überhaupt die Zeit oder das Schicksal oder was immer es war, das ihr einen Moment lang einen solchen Schmerz zufügen sollte, den sie nie erwartet hatte. Sie hatte aber auch nicht geglaubt, dass sie zu solchen Gefühlen fähig war. Es war nicht mehr die starke Terry, die so reagierte, sondern eine sehr verletzte, und die Wunde, die man ihr zugefügt hatte, konnte sie nicht mit ihrer heißen Wut überdecken. Sie hatte das Gefühl, dass sie den Schmerz zeit ihres Lebens herumtragen müsste, und verspürte noch nicht einmal die Lust, sich zu rächen.
    Sie hatte nach dem gestrigen Abend in der Disco ein ganz anderes Gefühl für Marcel entwickelt. Dieses Feuer-und-Flamme in ihr war vergangen, und wenn sie an ihn dachte, war es ein fast schwesterliches Gefühl, wenn es so was unter Geschwistern überhaupt gab. Sie dachte mit solch einer Ruhe an Marcel und mit dem Gefühl, dass ihr nie wieder was passieren könnte, dass sie sich sogar die Zeit nahm, an einem Zeitungsstand in einer Illustrierten zu blättern, ohne darin zu lesen, und das nur, weil sie diesen Schwebezustand verlängern wollte, bevor sie Marcel sah. Es war ein Zustand der absoluten Geborgenheit. Sie hielt sich irgendwie für verwandt mit Marcel und kannte ihn schon ewig, natürlich, und alle Tage vor diesem waren ausgelöscht. Selbst die Mutter oben im Haus vergaß sie und ihre eigenen Lustgefühle dabei, wenn sie der Mutter Schaden zufügen konnte.
    Terry war ein anderer Mensch, als sie durch die Stadt schlenderte. Wie in dieser Geschichte, die sie plötzlich herauferinnerte, war ihr Herz geschmolzen, und nur manchmal, in den Momenten, in denen sie C. W. Burgers Foto betrachtet hatte, hatte sich ein ähnliches Gefühl in sie geschlichen, aber mit C. W. Burger war sie ja nun auch tatsächlich verwandt.
    Es war alles Illusion. Sie wusste es eine knappe halbe Stunde später.
    In dem Tabakwarenladen, in dem sie schon die Ansichtskarten gekauft hatte, suchte sie ein Geschenk für Marcel aus. Sie wusste nicht, wie sie ihm ihr Gefühl für ihn begreiflich machen konnte. So tat sie das, was sie über Jahre hinweg von dem einzigen Menschen, dem ihr Interesse am ebenso zugefrorenen Herzen lag, erfahren hatte: Sie machte, wie sie es von Lieschen gewöhnt war, Geschenke, die teuer und doch banal waren und die das ausdrücken sollten, was beide nicht zu sagen wagten.
    Terry kaufte ein goldenes Feuerzeug und ließ es in einem mit blauem Samt ausgeschlagenen Kästchen verpacken. Sie liebte schöne Schachteln, auch wenn diese hinterher unnütz waren und gleich in den Müll geworfen wurden.
    Es war kurz vor der Mittagspause, als Terry Marcels Restaurant erreichte, und als sie ihn sah, wie er die letzten Gäste an der Bar bediente, hatte sie das gleiche Gefühl wie gestern Abend: Sie liebte die ganze Welt.
    Terry setzte

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