Lady Sunshine und Mister Moon
ausdrücklich zu betonen. Seine Mutter kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass das selbstverständlich war. Dennoch würde Niklaus noch einmal seine Sachen packen müssen – wie schon so oft. Wolf wusste nur zu gut, was das bedeutete.
Er warf Maria einen ernüchternden Blick zu und schüttelte leicht den Kopf. „Ich mache es, Mom, und ich werde mein Bestes geben. Aber erwarte nicht, dass Niklaus uns dafür auch noch dankbar ist.“
Da hast du recht, dachte Niklaus wütend. Er drückte sich gegen die Eingangstür, die er ganz leise hinter sich geschlossen hatte. Er hatte lange genug dort gestanden, um den größten Teil der Unterhaltung mitzubekommen. Der Verrat schmerzte wie ein vergifteter Pfeil. Seine Großmutter Maria war die einzige Person, der er jemals vertraut hatte. Und ausgerechnet sie hatte versäumt, ihm mitzuteilen, dass er nicht bei ihr und Großvater Rick leben würde, als sie ihn in Evansville, Indiana abgeholt hatten. Nicht dass er besonders scharf darauf gewesen wäre, in Bolivien zu wohnen, wo sein Großvater momentan stationiert war. Aber bei seiner Großmutter hätte er sich wenigstens sicher und gut aufgehoben gefühlt.
Nik presste den schwarz-weißen Fußball so fest gegen seine Hüfte, bis das Blut aus seinen Fingerspitzen wich. Die andere Hand ballte er zur Faust; die Tränen in seinen Augen brannten wie Feuer.
Er kniff die Augen fest zusammen. Er würde nicht weinen, das nahm er sich fest vor. Ich werde mir nichts anmerken lassen, schwor er sich im Stillen. Ich bin siebzehn, na ja, fast siebzehn, und ich werde verdammt noch mal nicht weinen wie ein Baby.
Er zwang sich dazu, die Schultern zu entspannen, und schüttelte seine Hand aus. Mist. Was bedeutete schon ein weiterer Scheiß-Umzug? Seine Mutter und er waren von Ort zu Ort gezogen, solange er sich erinnern konnte. Er musste … wie alt? … zwölf oder dreizehn Jahre alt gewesen sein, als er zum ersten Mal realisiert hatte, dass er möglicherweise reifer war, als Katharina es je sein würde.
Und er hatte schon immer gewusst, dass Großmutter Maria auf seiner Seite stand. Dass sie für ihn da war, wenn seine Mutter mal wieder besonders flatterhaft wurde. Wenn er mit seiner Großmutter zusammen war, hatte er nie erwachsen sein müssen. Und jetzt saß sie plötzlich hier und speiste ihn mit seinem Onkel ab. Was für ein Mist war das denn?
Ausgerechnet wegen seiner Freunde ? Klar, sie sahen merkwürdig aus mit ihrem Style. Sicher, sie hatten Piercings und Tattoos. Und manchmal rauchten sie ein bisschen Gras, falls jemand was auftreiben konnte. Aber sie waren ganz normale Kids. Und wenn er mit ihnen zusammen war, brauchte er wenigstens nicht so zu tun, als ob er der glückliche Junge wäre, den die Erwachsenen so gerne in ihm sahen.
Wenn er gewusst hätte, dass seine Großmutter vorhatte, ihn bei Wolf abzuladen, dann hätte er versucht, die Kluft zwischen ihr und seinen Freunden zu überbrücken. Was in der Woche möglich gewesen wäre, als sie und Großvater Rick gekommen waren; seine Mutter hatte gepackt, um zu ihrem neuesten Arschloch-Freund zu ziehen. Jetzt war es dafür jedoch zu spät.
Und Niklaus hatte doch tatsächlich gedacht, die Tour zu Onkel Wolfgang sei eine Stippvisite. Dass sie ein paar Tage in einem coolen Hotel in Las Vegas wohnen würden, bevor sie weiter nach La Paz fliegen würden. Doch stattdessen wurde er bei einem Typen abgeladen, mit dem er in seinem ganzen Leben insgesamt vielleicht drei oder vier Monate verbracht hatte – mal ganz abgesehen davon, dass niemand ihn nach seiner Meinung gefragt hatte. Das Einzige, was er von Wolfgang wusste, war, dass er einer dieser superautoritären, schmallippigen Typen war. Himmel! Hatte Mom ihn nicht immer als Doktor Düster bezeichnet? Niklaus war sich nicht sicher, ob er ihn schon jemals hatte lachen sehen.
Niklaus zog für einen Augenblick in Betracht, seine Sachen aus dem Kofferraum von Wolfgangs Macho-Auto zu holen und sein Glück auf eigene Faust zu probieren. Er war schon in der Lage, selbst auf sich aufzupassen. Schließlich hatte er das den größten Teil seines Lebens ohnehin so gemacht. Doch dann holte er ein paarmal tief Luft und blieb an Ort und Stelle.
Er hatte Pläne für die Zukunft, und ein Teenager zu sein, der von zu Hause weggelaufen war, gehörte absolut nicht dazu. Niklaus hatte fast sein ganzes Leben von der Hand in den Mund gelebt. Er hatte nicht vor, den Rest seines Lebens so weiterzumachen. Schließlich gab es für einen Jungen ohne
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