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Ladylike

Ladylike

Titel: Ladylike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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Schachern zieht sich immer mehr in die Länge. Ein paar Stücke werden weggelegt und ein neuer Preis ausgehandelt, abwechselnd packt Rudi alles ein, aus oder wieder ein und versichert, ich würde mich unter solchen Bedingungen überhaupt nicht von irgendeinem noch so schmalen Ringlein trennen.
    Anneliese wird in ihrem Sessel allmählich unruhig, ich hingegen bekomme vor Müdigkeit nicht mehr mit, was sich tut, als plötzlich Bewegung in die Runde kommt. Per Handy wird ein sogenannter Bankir herbeizitiert. Er scheint ebenfalls im Hotel zu wohnen, denn er bringt schon kurz darauf einen Aktenkoffer mit Bargeld, wie ich ihn nur aus Gangsterfilmen kenne. Ich habe keine Ahnung, auf welchen Betrag man sich inzwischen geeinigt hat.
    Spontan umarmt mich die spröde Spezialistin und reicht mir einen Wodka; bisher hat sie kein deutsches Wort über die Lippen gebracht, nun stößt sie mit mir an und zitiert Goethe: »Zum Golde drängt, am Golde hängt doch alles!«
    Nur Rudi traut dem Frieden nicht ganz, er zählt gewissenhaft nach.
    Der große Deal hat endlich ein glückliches Ende genommen, und alle Beteiligten wirken zufrieden. Anneliese wacht auf, gähnt, räkelt sich und schnurrt wie eine Katze.
     
    Dann wird mit stürmischen Umarmungen und Schulterklopfen Abschied genommen. Rudi geht den Wagen holen; Anneliese und ich sollen im Hotel warten, bis er vorfährt. Das Geld hat er in den Schmuckkoffer gestopft und mir anvertraut. Er macht einen etwas traurigen Eindruck.
    Plötzlich kriege ich es mit der Angst zu tun. Leise sage ich zu Anneliese: »Das ging irgendwie alles viel zu glatt! Meinst du nicht auch, daß man uns draußen überfallen und ausrauben wird? Wir haben noch nicht einmal eine Waffe dabei!«
    »Wenn du unter Verfolgungswahn leidest, dann geh rüber ins Restaurant und klau dir ein Buttermesser«, empfiehlt Anneliese, die immer noch in Abenteuerlaune ist.
    Besorgt frage ich mich, ob wir nicht lieber hier übernachten sollten. Bei Tageslicht könnten wir Baden-Baden wahrscheinlich unbehelligt verlassen. An der Rezeption erfahre ich, daß noch eine Suite für 1700 Euro frei ist, und lehne dankend ab.
    Im Gegensatz zu Anneliese versteht Rudi meine Sorgen sehr gut. Er hatte bereits in der Tiefgarage das Gefühl, schleichende Schritte hinter sich zu hören.
    »Man wird uns mit Sicherheit auf den Fersen bleiben«, sagt er düster und gibt Gas.
    »Haben sie eigentlich unsere Adressen?« frage ich, und Rudi verneint. »Nur die olle Visitenkarte, aber die Adelige ist ja zum Glück schon tot!«
    Zwar befürchte ich, daß wir auch bald kaltgemacht werden, aber zunächst kann ich keinen Wagen hinter uns ausmachen. Im Gegenteil, wir kommen sogar – dank leerer Straßen und Rudis gehetzter Fahrweise – ziemlich schnell in Schwetzingen an. Er möchte aber kein zweites Mal in unserer Mansarde nächtigen, sondern samt seinen Einnahmen ins eigene Auto umsteigen und gleich weiter nach Wiesbaden fahren. »Tschüs, Tantchen!« ruft er und verschwindet in der Dunkelheit.
     
    Als wir endlich im Hausflur stehen, verriegle ich die Tür und lasse in allen Zimmern die Rolläden herunter. Anneliese macht weder Anstalten, mir zu helfen, noch ins Bett zu gehen. Ihre schwarze Jacke hat sie einfach auf den Teppich geschmissen, sich selbst auf das Sofa. Mit verträumtem Ausdruck wühlt sie in ihrer Tasche herum und stellt dabei fest: »Heute war ein so wunderbarer Tag, ich werde ihn nie vergessen!«
    Nun muß ich doch ein bißchen lächeln, höre mit meinen hektischen Sicherheitsvorkehrungen auf und setze mich neben die lustige Witwe. Erst als ich die Stehlampe anknipse, funkeln mir die feurigen Smaragde entgegen. Armband, Ring und Brosche hat Anneliese bereits angelegt, die Ohrgehänge fischt sie gerade aus den Abgründen ihrer Handtasche. Nur das Collier hat sie den Russen gelassen.

8
    Es gibt Tage, da wechseln Anneliese und ich kaum ein Wort. Nach dem Frühstück verzieht sich jede in ihre Wohnung oder – bei schönem Wetter – auch in den Garten. Inzwischen habe ich dort einen lauschigen Winkel für mich erobert: die Bank unter dem Kirschbaum. Pralle Sonne tut meiner Haut sowieso nicht gut. Neulich ertappte ich mich dabei, daß ich Anneliese ein wenig kopierte und mein Lieblingsplätzchen in abgetragenen Klamotten aufsuchte. Zwar soll angeblich aller Segen von oben kommen, aber meine zartgrauen Seidenkleider sind nun einmal nicht gegen Kirschsaft oder tierische Exkremente imprägniert.
    Ein großer Baum ist für mich ein Wunderwesen;

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