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Ladylike

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Titel: Ladylike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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neben der Blonden Platz und packt sofort ihre Einkäufe aus, um sie der Freundin zu zeigen. Anscheinend hat sie in den kleinen, feinen Läden der Kurhaus-Kolonnaden kräftig zugeschlagen.
    »Alles von Prada und Gucci«, schätze ich.
    Ihre Männer haben sich nicht hingesetzt, drehen jetzt ab und steuern einen benachbarten Raum an. Rudi greift sich an den Kopf.
    »Jetzt wird es erst zum richtigen Albtraum!« stöhnt er. »Sagt bloß, ich soll mich bei diesen Zicken einschleimen!«
    Anneliese lechzt nach einem zweiten Campari. »Wollt ihr auch noch was?« fragt sie. Der Kellner läßt allerdings auf sich warten. Sie wird ein wenig unruhig, steht schließlich auf und verläßt uns. Ich bin mir sicher, daß sie die Toilette sucht.
     
    Nach fünf Minuten ist Anneliese wieder bei uns. »War der Kellner endlich da?« fragt sie. »Ich weiß jetzt, was im Nachbarsalon los ist. Zwei uralte Französinnen mit langen roten Krallen spielen Zankpatience, absolut filmreif! Und unsere Russen hocken vor einem Schachbrett. Kannst du Schach spielen, Rudi?«
    Er zuckt mit den Schultern. »Ein bißchen. Als Junge hat es mir mein Opa beigebracht, aber …«
    »Das ist doch wunderbar! Dann kannst du ja mitreden!« behauptet Anneliese. »Hinter Karpow und Kasparow stehen nämlich drei Voyeure, die dauernd ihren Senf dazugeben.«
    »Wer hätte gedacht, daß du dich zur Undercover-Agentin mauserst«, lobe ich Anneliese und schicke Rudi mit aufmunternden Worten in die Spielhölle.
    Er gibt sich einen Ruck. »Wenn der Kellner kommt, bestellt mir drei Wodkas! Und sechs russische Eier! Und paß gut auf meine Schätze auf«, sagt er und schiebt mir unter dem Tisch den Schmuckkoffer zu. Aufrecht schreitet er von dannen wie ein Stierkämpfer, der es gewohnt ist, dem Tod ins Auge zu schauen.
     
    Es tut sich lange gar nichts, aber schließlich erscheint wenigstens der Kellner, und Anneliese bestellt sich ein Stück Torte. Wir werden allmählich ungeduldig. Die Frauen der Schachspieler scheinen im Hotel zu wohnen, haben sich mit ihren Siebensachen häuslich eingerichtet, bestellen neuen Tee mit Petits fours und gurren dabei wie die Täubchen.
    Schließlich ergreife ich die Initiative. »Jetzt werde ich zur Abwechslung mal spionieren«, sage ich zu Anneliese, »du mußt aber Rudis Tresor gut bewachen!«
    Sie verspricht es, und ich schlängele mich unauffällig zwischen anderen Gästen hindurch, bis ich den geheimnisvollen Salon erreiche. Dort spielt man inzwischen Schach an zwei Tischen, am einen sitzen die beiden Russen, am anderen Rudi mit einem jungen Mann im dunkelblauen Pullover, der überhaupt nicht neureich aussieht. Ich bleibe hinter ihm stehen und gebe vor, mich brennend für seinen nächsten Zug zu interessieren.
    »Check!« sagt Rudi plötzlich. Sein Gegenspieler zündet sich eine Zigarette an, im Aschenbecher türmen sich die Kippen. Rudi beachtet mich auch weiterhin nicht.
    Etwas verärgert frage ich schließlich: »Und wie lange soll das noch so weitergehen?«
    Jetzt schauen beide hoch, und Rudi sagt auf englisch, ich sei seine alte Tante.
    Der Fremde erhebt sich höflich, gibt mir die Hand, zeigt grinsend auf seinen Kontrahenten und behauptet mit deutlichem Akzent: »Rudi is grandmaster!«
    Anscheinend haben sie sich angefreundet.
    Rudi deutet jetzt mit der gleichen Geste auf seinen neuen Bekannten und sagt: »Nikolai is world champion!«
    Beide lachen schallend, ich verziehe mich wieder.
    Als ich wieder zu Anneliese stoße, hat sie sich mit dem Smaragdcollier geschmückt. Am Flügel ist ein Pianist eingetroffen. Er verbeugt sich vor den russischen Frauen und beginnt zu spielen.
    »Tschaikowsky, Nußknackersuite«, sagt Anneliese fachmännisch. »Vielleicht könnte man den Klavierspieler mal fragen, ob er nicht das Wolgalied im Programm hat, denn dann …«
    Ich unterbreche sie entsetzt. »Anneliese, wenn du hier anfängst, dich zu produzieren, fahre ich auf der Stelle nach Hause, und zwar ohne dich.«
    Um mich zu ärgern, säuselt sie mir trotzdem ganz leise ins Ohr:
     
    Es steht ein Soldat am Wolgastrand,
    Hält Wache für sein Vaterland.
    In dunkler Nacht allein und fern,
    Es leuchtet ihm kein Mond, kein Stern.
     
    Aus purem Übermut stimme ich mit ein:
     
    Hast du dort oben vergessen auf mich?
    Es sehnt doch mein Herz auch nach Liebe sich.
    Du hast im Himmel viel Engel bei dir!
    Schick doch einen davon auch zu mir.
     
    Die jungen Damen am Teetisch spähen neugierig herüber, denn wir gackern hemmungslos wie die Backfische. Rudi

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