Ladylike
wenig: »Aber sich gleich damit auf die Wiese hauen, das ist doch sonst nicht deine Art! Hatte die Lady vielleicht ein pikantes Abenteuer?«
Ich verschweige die Herkunft meiner Errungenschaft und komme wieder auf Ewald zu sprechen.
»Jetzt wird er ja längst Rentner sein, aber was hatte er vorher für einen Beruf?« frage ich.
Anneliese will mich raten lassen. »Mit M fängt’s an«, hilft sie mir auf die Sprünge.
Also mache ich ihr die Freude und schlage Metzger, Musiklehrer, Matrose und Müller vor.
»Maschinenbau-Ingenieur«, sagt sie schließlich. »Leider haben alle Männer, mit denen ich zu tun habe, langweilige Berufe.«
Mir ging es nicht anders als ihr: Hardy war Gewerbelehrer, Udo Speditionskaufmann. Doch wir selbst haben uns in jungen Jahren auch nicht unsere Traumberufe aussuchen können – Anneliese wurde Chemielaborantin, ich habe vor der Heirat ein paar Semester studiert, um Grundschullehrerin zu werden.
»Percy war Antiquitätenhändler und Rudi ist es jetzt auch«, fällt mir ein, »dagegen läßt sich doch nichts einwenden. Warum hast du heute eigentlich nicht den neuen Schmuck angelegt?«
Anneliese druckst herum. »Morgen ist auch ein Tag«, sagt sie schließlich und wird tatsächlich rot.
Das macht mich neugierig. »Wenn du mir versprichst, daß es morgen Obstkuchen und keine Operetten gibt, werde ich John Wayne persönlich begutachten.«
Welche Filme mag Anneliese bloß gesehen haben? Ich entdecke keinerlei Ähnlichkeit mit besagten Stars. Ewald ist zwar groß, aber sonst stimmt ihre Beschreibung von vorn bis hinten nicht. Seine Schläfen sind in der Tat grau, doch seine Haare haben sich sehr gelichtet und die Stirn ist zerfurcht.
Im Gegensatz zu mir erinnert er sich noch gut an die vergangene Zeit.
»Wir beide haben meistens langsamen Walzer miteinander getanzt«, sagt er zu mir. »Am liebsten mochten wir Ich tanze mit dir in den Himmel hinein … «
Nun ist es passiert, Anneliese jault sofort in den höchsten Tönen: »… in den siebenten Himmel der Liebe …«
Ich werfe ihr einen so bösen Blick zu, daß sie verstummt. Es ist im übrigen nicht wahr, was er sagt, ich mochte diesen Evergreen überhaupt nicht, Ewald verwechselt mich wahrscheinlich mit einem anderen Mädchen.
»Und was war unser Lied?« fragt Anneliese. Ewald meint, es könne vielleicht der Tango nocturno gewesen sein, ist sich aber nicht mehr sicher.
Ein kleiner Triumph für mich, obwohl ich ja genau weiß, daß er sich niemals für mich interessiert hat.
»Wie geht es Ihrer Frau?« frage ich höflich, um das Thema zu wechseln.
Anneliese mischt sich sofort ein. »Früher habt ihr doch du zueinander gesagt«, meint sie, es sei doch selbstverständlich, daß wir auch heute …
»Wirklich?« fragt Ewald. »Wir waren ja als Jugendliche geradezu lächerlich konventionell! Aber von mir aus, prost, Lore! Meiner Frau geht es leider seit Jahren immer schlechter. Vielleicht kann man ihr in dieser Klinik helfen!«
Nach dem Kaffeestündchen lasse ich Anneliese mit ihrem Gast allein, von mir aus kann sie ihn ebenso wie die Biskuitrolle vernaschen. Ich bin mir nicht ganz klar, ob ich Ewald nett finden soll. Wir haben eine Weile über das Segelfliegen gesprochen, und er konnte immerhin nachvollziehen, daß ich als junges Mädchen Pilotin werden wollte.
»Es gibt nichts Schöneres als die Schwerelosigkeit«, sagte er und sah mir wie einer Verbündeten eine ungebührliche Sekunde zu lange in die Augen. Hoffentlich hat sich Anneliese nicht einen zweiten Pelzrücker angelacht.
9
Bekanntlich soll es in Wohngemeinschaften häufig Streit geben. Meistens geht es wohl darum, wer einen unappetitlichen Rand an der Badewanne hinterlassen hat, wer zu selten den Müll hinausträgt, wer den Küchenboden nicht aufgewischt hat und dergleichen mehr. Auch bei jungen Ehepaaren sieht es ähnlich aus, denn die Rollenverteilung ist ja nicht mehr so festgelegt wie zu meiner Zeit. Nie hätte ich gedacht, daß auch zwei gestandene Hausfrauen diesbezüglich Differenzen haben könnten.
Ich gebe gerne zu, daß ich keine so große Familie hatte wie Anneliese und deswegen wohl penibler bin. Aber ist es wirklich nötig, daß sie die Wäsche nur nach 30 oder 60 Grad sortiert und weiß und bunt gemeinsam in die Maschine stopft? Schon nach kurzer Zeit sind meine blütenweißen Dessous grau oder auch rosa, hellblau oder gelblich geworden.
Ärgerlich ist auch ihr Umgang mit dem Silberbesteck, das sie gnadenlos der Spülmaschine ausliefert.
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