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Ladylike

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Titel: Ladylike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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vergessen! Das Haus gehört Bernadette, sie hat das Geld. Soll ich meine alten Tage als Bettler beschließen? Eher würde ich diese falsche Betschwester eigenhändig erwürgen!«
    Jetzt kommen wir der Sache schon näher. Anneliese und ich wechseln einen Blick und beglücken Ewald mit unserem freundlichsten Lächeln.

12
    Annelieses Familie wohnte mit den Großeltern zusammen; das Häuschen war zwar winzig, aber es besaß mehrere Stockwerke. Wenn meine Freundin Geburtstag hatte, durften sich alle eingeladenen Kinder auf dem Dachboden, im Keller und in den beiden Wohnungen verstecken. Es war Annelieses Lieblingsspiel, wohl weil sie einen enormen Heimvorteil hatte. Meistens war sie es auch, die uns suchen wollte, während ich und die anderen Mädchen im ganzen Haus herumflitzten, um ein raffiniertes Schlupfloch auszumachen. Wenn ich zusammengekauert unter dem säuerlich riechenden Bett des Opas, zwischen Spinnweben und Gerümpel auf dem Speicher, im hölzernen Zuber in der Waschküche oder gar in der erdigen Kartoffelkiste auf Entdeckung wartete, wurde ich oft von Panik befallen. Zwar wollte ich nicht sofort aufgestöbert werden, denn dann galt mein Versteck als zu einfach, aber andererseits hatte ich noch größere Angst davor, überhaupt nicht gefunden zu werden und im Keller zu vermodern.
    Völlig absurd war diese Furcht nicht, denn in unserer Schule war es zu einem gruseligen Vorfall gekommen: Ein elfjähriger Junge hatte sich während der Pause in den Keller geflüchtet, weil er Prügel eines rachsüchtigen Mitschülers fürchtete. Kurz darauf wurde dieser Raum vom ahnungslosen Hausmeister abgeschlossen. Da es Sommer war, brauchte er die Heizung nicht täglich zu warten, und der Junge wurde erst entdeckt, als er fast verdurstet war.
     
    Vor wenigen Tagen kamen diese längst vergessenen Ängste wieder hoch. Schon lange wollte Ewald nicht nur im Park herumlaufen, sondern auch das Schwetzinger Schloß besichtigen. Endlich rafften wir uns auf und meldeten uns am Entree zu einer Führung an. Natürlich ist das Jagdschloß der Kurfürsten von der Pfalz kein zweites Versailles. Außerdem sind keine Prunksäle, sondern die eher schlichten Wohnräume von Carl Theodor und seiner Gemahlin Elisabeth Augusta für Besucher hergerichtet worden. Doch auch die haben es in sich.
    Im 18. Jahrhundert wurden die Bittsteller, genauso wie die heutigen Touristen, durch zwei Vorräume bis zum Schlafzimmer oder gar dem Cabinet des Fürsten geschleust. Im ersten Vorzimmer, wo niedere Untertanen abgefertigt wurden, besteht der Fußboden aus groben Dielen, die Wände sind gestrichen, die Möbel sind einfach und zweckmäßig. Wer es bis ins zweite Vorzimmer schaffte, bekam schon etwas mehr Noblesse zu sehen. Hier sind die Mauern mit Chintz bespannt. Aber ein Parkettboden und Seidentapeten finden sich erst im anschließenden Schlafzimmer.
    Meine Favoriten waren die anmutigen Deckengemälde im Schreibkabinett der Fürstin, ihre Puder- und Ankleidekammer sowie das bezaubernde »Coffee-Zimmer«. Doch Ewald war von zierlichen Möbelstücken, faszinierenden Ausblicken und höfischer Etikette nicht so leicht zu beeindrucken; er interessierte sich vor allem für die klobigen Truhen in den Vorzimmern, die als Tisch oder Ablage dienten. Zur Verschönerung hatte man sie rundherum mit einem geblümten Kattunüberwurf verkleidet. Wenn man aber den schweren Deckel aufklappte, konnten die wachhabenden und sicherlich todmüden Lakaien flugs in die Bettkästen kriechen und waren am nächsten Morgen in Windeseile wieder auf ihrem Posten. Ewald, der ja früher Ingenieur gewesen war, fand Gefallen an derart praktischen Lösungen.
    »In einer solchen Truhe bekäme ich Klaustrophobie«, sagte ich, »das ist ja der reinste Sarg!«
    Ewald nickte beifällig und raunte mir zu: »Du bringst mich auf eine Idee! Wenn man hier eine Leiche ablegt, wird sie sicher nicht so bald gefunden.«
    Da war ich allerdings anderer Meinung, denn der Verwesungsgeruch würde nicht lange auf sich warten lassen. Ich sagte es aber nicht laut, sondern hielt mir nur demonstrativ die Nase zu.
    »Paß mal auf, wir werden jetzt ein wenig zurückbleiben, den Touristentrupp vorbeiziehen lassen und heimlich den Deckel öffnen«, flüsterte Ewald. »Ich werde das mal testen und eine kleine Zeitbombe deponieren!« Er kramte ein eingewickeltes Stück Limburger aus seiner Tasche und grinste wie ein Schuljunge, als ich entsetzt den Kopf schüttelte; der Käse stank bereits durch die Verpackung.
    »Für

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