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Ladylike

Ladylike

Titel: Ladylike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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daß sie mehr als ich auf unsere WG angewiesen sei, weil sie mit ihrer popeligen Rente das Haus niemals halten könnte. Sicher war es undiplomatisch, ausgerechnet jetzt unsere finanzielle Ungleichheit ins Spiel zu bringen.
    Anneliese rastete aus. »Du weißt genau, daß ich dreimal soviel arbeite wie Putzfrau und Gärtner zusammen, bloß damit du hier leben kannst wie die Made im Speck! Meinst du, ich würde nicht ebenfalls lieber in Seidenkleidern unterm Kirschbaum sitzen und lesen? Ich komme auch ohne deine Kohle klar, die kannst du dir sonstwohin stecken!«
    Sie knallte die Tür zu und verzog sich in ihr Schlafzimmer.
    Ewald war glücklicherweise außer Haus und bekam nichts davon mit. Womöglich hat er indirekt etwas mit unseren Differenzen zu tun. Seit er hier lebt, ist Anneliese mit ihrer Rolle als Hausmütterchen unzufrieden und sieht es nicht gern, daß ich mit Ewald täglich einen kleinen Spaziergang mache. Natürlich könnte sie uns begleiten, aber sie behauptet, mit dem Garten voll und ganz ausgelastet zu sein und nichts weniger zu brauchen als zusätzliche körperliche Betätigung. In Wahrheit ist sie durch ihr Übergewicht sehr schwerfällig geworden und kommt beim zügigen Laufen sofort außer Atem. Meistens sind wir ja auch bald wieder zurück, und sie hat ihren Ewald nach dem Kaffeetrinken ganz für sich.
     
    Inzwischen hat sich eigentlich das Zusammenleben mit unserem Gast ganz gut eingespielt. Nach dem Frühstück besucht Ewald seine Frau und ist im allgemeinen zum Mittagessen wieder zurück. Ebenso wie Anneliese und ich hält er anschließend eine kleine Siesta; nach Spaziergang und Nachmittagskaffee hilft er regelmäßig im Garten, plaudert mit Anneliese oder liest die Zeitung. Gelegentlich betätigt er sich auch als Hausmeister, repariert zum Beispiel meine Nachttischlampe und den Toaströster.
    Kurz nach dem Abendessen verläßt er uns meistens. Wir wissen nicht genau, ob er dann am Bett seiner Frau sitzt oder andere Interessen verfolgt. Neulich war er ganz allein im Kino. Er hätte immerhin fragen können, ob wir auch Lust dazu hätten. Manchmal ist er den ganzen Nachmittag fort, kommt erst spät zurück und schmiert sich dann in der Küche ein Leberwurstbrot.
    »Hat deiner Frau eigentlich die Grüne Soße geschmeckt?« habe ich neulich nachgehakt, denn anscheinend ist es nach dem Verzehr zu keiner Katastrophe gekommen.
    »Danke, sehr gut«, sagt Ewald.
    Kaum bin ich mit Anneliese allein, kann ich es mir nicht verkneifen, eine Bemerkung über die Kräutersoße fallenzulassen. »Eigentlich habe ich ja erwartet, daß du Bernadettes Extraportion ein wenig angereichert hättest …«
    Anneliese nimmt es nicht mit Humor.
    »Meinst du etwa, ich hole für andere Leute die Kastanien aus dem Feuer? Noch dazu, wo sich dieses Weib in einer Klinik aufhält? Für wie blöd hältst du mich eigentlich!«
     
    Seit Ewald hier wohnt, schlafe ich schlecht. Nachts werde ich häufig wach und lausche auf Schritte in der Mansarde. Ob Ewald vielleicht die Treppe hinunter und in Annelieses Schlafzimmer schleicht? Kürzlich stellte er das Radio an, nicht laut, aber immerhin mitten in der Nacht. Was weiß ich eigentlich über diesen Mann? frage ich mich. Weder ist mir klar, ob er ein treuer Ehemann und guter Vater oder ein Casanova ist, noch erfahren wir viel über sein Privatleben. Über seine Frau spricht er nur in formelhaften Wendungen. Wenn er aber mit mir durch den Schloßgarten wandert, ist er ein wunderbarer Begleiter. Er interessiert sich sowohl für architektonische Details einzelner Gebäude als auch für allerlei exotische und einheimische Pflanzen.
     
    Beim Augenarzt mußte ich lange warten, aber zum Glück gab es keine Hiobsbotschaften. Als ich endlich heimkomme, meinen Wagen abgestellt habe und aussteige, schallt mir schon auf der Straße laute Musik entgegen. Ich schließe die Haustür auf und möchte mir am liebsten die Ohren zuhalten oder augenblicklich auf jene Taste drücken, die den Lärm beendet.
    Aber sie bemerken gar nicht, daß ich sie vom Flur aus beobachte. Sie haben den Teppich zusammengerollt und Stühle und Eßtisch zur Seite gerückt, um Platz für ein Aufleben ihres Tanzstundenglücks zu schaffen.
    Schweben die beiden wie in Ewalds Lieblingslied bereits im siebenten Himmel der Liebe? Nun, von Schweben kann kaum die Rede sein. Es ist ein lächerlicher Anblick, wie die dicke Anneliese, hochrot im Gesicht und völlig aus der Puste, zu einer bäuerlichen Polka herumhopst. Ewald wiederum hat

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