Ladylike
solchen Schabernack sind wir doch zu alt«, sagte ich. Wenn zwei Rentner in einem ehrwürdigen Museum bei kindischen Streichen erwischt werden, ist das mehr als peinlich. Noch dazu, wo ich in unmittelbarer Nähe des Schlosses wohne.
Aber war es wirklich nur ein Scherz? Suchte Ewald vielleicht ernsthaft ein trockenes Plätzchen für die eigenhändig erwürgte Bernadette? Noch schien sie sich ja ihrer schlechten Gesundheit zu erfreuen, aber seit sie mit ihrem Kantatenfreund liiert war, besuchte Ewald seine Frau immer seltener. Doch er reiste auch nicht ab.
Gestern hatte ich einen seltsamen Traum, den ich aber niemandem erzählt habe: Wir fahren zu dritt in einem Kabriolett, Ewald sitzt wie Cary Grant am Steuer, Anneliese singt Sofia Lorens berühmtes Lied aus dem Hausboot »Presto, presto, do your very besto …« Ich bin sechs Jahre alt, hopse auf dem Rücksitz herum und plärre zum Refrain: » Bing, bang, bong.« Ewald und Anneliese sind meine gutgelaunten Eltern. Mir gefällt mein Status als verwöhntes Töchterchen, ich fühle mich umsorgt und aufgehoben. Der Papa fährt uns, die Mama kocht.
Schließlich wurde ich wach und mir fiel ein, daß wir kürzlich zu später Stunde diesen alten Film wieder angeschaut hatten. Vielleicht wäre es klug, wenn ich auch im wirklichen Leben meine Rolle als Neutrum akzeptierte und nicht insgeheim Sofia Loren nacheifern wollte. Im Traum war ich glücklich und kein Störfaktor für meine Eltern, was spricht dagegen, daß wir drei uns auf dieser Basis arrangieren?
Heute sind Annelieses Kleider wieder bunt zusammengewürfelt: Hosen aus rotgrünkariertem Köper, Pantoletten aus rosa Lackleder, ein blauer Russenkittel und ihre silberbeschichteten Backofenfäustlinge. Es gehe jetzt den Brennesseln an den Kragen, sagt sie und sieht Ewald auffordernd an. Gehorsam holt er seine hirschledernen Autohandschuhe aus dem Wagen und steht vor seiner Auftraggeberin stramm. Immerhin tauscht sie ihre komischen Schuhe noch gegen Gummistiefel aus.
Auch ich begebe mich in den Garten und pflücke mir ein bescheidenes Sträußchen kriechender Kapuzinerkresse. Die Blüten in leuchtendem Orange, Gelb oder Blutrot und die erbsengrünen, schildförmigen Blätter sollen in einer gläsernen Kugelvase mein Schlafzimmer aufpeppen.
Zufällig sehe ich, daß Anneliese und ihr Gehilfe nicht bloß Unkraut jäten, sondern auch Pfefferminzstengel schneiden, bündeln und kopfüber im Geräteschuppen aufhängen. Neugierig betrachte ich mir die diesjährige Ernte. Hier baumeln nicht bloß Kräuter für diverse Gesundheitstees, sondern auch Gewürzpflanzen und allerlei Blumen, die wohl schon seit Wochen dort trocknen. Hübsch sehen die Samenstände der Jungfer im Grünen aus, gut geeignet zum Basteln sind wohl auch Rittersporn, Mohnkapseln und Vogelbeerzweige. Anneliese denkt schon jetzt an den Winter, um auch in den blumenlosen Monaten Gestecke und Sträuße zusammenstellen zu können. Offen gestanden mag ich mumifizierte Blumen so wenig wie Kränze aus Zapfen, Hagebutten und verhutzelten Früchten, aber über Geschmack soll man lieber nicht streiten.
Während ich ausnahmsweise einen Gemüseauflauf vorbereite, scheinen die beiden im Garten leise und intensiv zu fachsimpeln.
Noch während des Mittagessens klingelt Ewalds Handy. Er nimmt ab, verspricht, gleich zurückzurufen, und rührt keinen Bissen mehr an. Ob es ihm nicht schmeckt, weil ich heute gekocht habe?
»Ist was mit Bernadette?« fragt Anneliese.
»Es war mein Filius«, sagt Ewald und wartet angestrengt darauf, daß wir fertig sind. Schließlich verzieht er sich mit ernstem Gesicht in die hinterste Gartenecke, wo er unbelauscht telefonieren kann.
»Bist du immer noch davon überzeugt, daß Ewald glücklich verheiratet ist?« fragt Anneliese leise.
Natürlich nicht. Aber was heißt bei einer langjährigen Ehe schon glücklich.
»Was mag sein Sohn von ihm wollen?« überlegt Anneliese beunruhigt. »Bisher haben sich seine Kinder noch nie gemeldet. Man weiß überhaupt nicht, ob sie über die Frühlingsgefühle ihrer Mutter informiert sind.«
Erst nach einer halben Stunde wird unsere Neugier gestillt. Ewald berichtet, daß er morgen abreisen werde. Bernadette habe den Sohn gebeten, sie in der nächsten Woche abzuholen und heimzufahren. Sie fordere, daß sich Ewald in ihrem Haus nicht mehr blicken lasse und seine Siebensachen zusammenpacke, bevor sie aus der Klinik entlassen werde.
»Ich soll also das Terrain räumen«, sagt er zornig.
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