Ladylike
»Keine Ahnung, wie sie sich das vorstellt. Soll ich mir etwa ein Wohnmobil kaufen und auf der Straße kampieren?«
Er springt auf und läuft rastlos auf dem Gartenweg auf und ab, Anneliese keucht ihm hinterher. »Was sagt denn euer Sohn dazu?« fragt sie.
»Der Junior versteht die Welt nicht mehr«, sagt Ewald. »Aber wahrscheinlich hat ihm meine Frau eine Menge Lügen aufgetischt.«
»Du kannst doch vorläufig hier wohnen bleiben«, schlägt Anneliese vor. »Allerdings solltest du so schnell wie möglich nach Hause fahren und alles zusammenraffen, was dir lieb und teuer ist. Von mir aus kannst du auch meinen Dachboden als Zwischenlager benützen, nur bitte keine Polstermöbel …«
Mir fällt auch ein guter Rat ein: »Steck dir einen Keller- oder Garagenschlüssel ein, falls deine Frau das Haustürschloß austauschen läßt. Dann hast du auch später noch Zutritt, wenn du etwas Wichtiges vergessen haben solltest.«
Ewald nickt ergeben. »Seid ihr heute nachmittag zu Hause?« fragt er nach einer Weile. »So etwa um vier?«
Eine überflüssige Frage, unser Kaffeestündchen ist uns heilig.
Fast auf die Minute um vier Uhr klingelt es, und ein Mann im blauen Overall steht vor der Tür.
»Hallöchen!« ruft er. »Wo soll das gute Stück denn hin?«
Schon ist Ewald zur Stelle und schickt uns in die Küche; wir sollen uns noch ein paar Minuten gedulden. Natürlich spähen wir zum Fenster hinaus und sehen, daß zwei Männer einen Riesenkarton ins Haus schleppen. Auf dem Lieferwagen steht »Elektro Müller«.
»Er wird doch nicht etwa …?« fragt Anneliese. Aus dem Wohnzimmer hören wir Geräusche, die zu unserer Vermutung passen.
Nach einer halben Stunde werden wir zur Bescherung hineingerufen. »Von mir persönlich«, erklärt Ewald stolz. Dann bekommen wir die Funktionen des Luxusfernsehers erklärt. Und damit verabschiedet Ewald sich.
Mit waidwundem Ausdruck trägt Anneliese die Sektflasche wieder in den Keller. »So habe ich mir den Abschied eigentlich nicht vorgestellt«, sagt sie und macht resigniert den neuen Fernseher an.
»Er kommt ja bald wieder«, tröste ich und stelle Überlegungen an, wo und wie Ewald den heutigen Abend verbringt. Aber Anneliese zwingt mich mit einer abwehrenden Geste zum Schweigen, denn sie hat auf dem Bildschirm ein Tanzturnier entdeckt. Schon lange hegt sie auch eine Vorliebe für Eislauf, Reiten und Kunstturnen, die ich nicht teile. Ewald liebt wiederum das Dröhnen der Rennwagenmotoren, mit dem er selbst die konziliante Anneliese aus dem Wohnzimmer vertreibt.
Es tut gut, wieder einmal allein zu essen. Anneliese genießt ihren neuen Fernseher, ich habe mir zum Abendimbiß ein Tablett mit Brot, Butter und Käse in mein Zimmer getragen und mich für heute bei ihr abgemeldet.
Ganz gegen meinen Willen muß ich dauernd an Ewald denken. Bevor er uns verließ, hatte er sich noch umgezogen. Nicht etwa, daß er sich in einen Anzug geworfen hätte, nein – er hatte sich für ein lässiges Outfit entschieden: Jeans, rosa Hemd und dunkelblauer Pullover. Durch die Gartenarbeit hat er einen frischen Teint bekommen. Will er die kränkliche Bernadette doch noch zurückerobern? Nachdenklich schmiere ich mir Butter aufs Brot.
Butter – das ist das einzige, was Ewald nicht mag. Fast jeder Mensch hat ja die eine oder andere Abneigung gegen ein bestimmtes Essen. Häufig handelt es sich um Innereien, Fisch oder Wild. Anneliese kann ja auch keine blähenden Speisen vertragen. Aber es fiel mir auf, daß gerade sie, die doch ihren Ewald wie eine italienische Mama verhätschelt, ihre geliebte Butter zwar unsichtbar, doch großzügig in allen Saucen, Suppen, Gemüse- und Nudelgerichten unterbringt.
»Ewald merkt es doch gar nicht, Männer haben keinen so feinen Geschmack wie wir«, rechtfertigte sie sich. »Auch bei meinen Kindern habe ich immer gemogelt. Wenn ich es jedem hätte recht machen wollen, hätte ich gar nichts mehr auf den Tisch bringen können!«
Kochen ist schon eine absolute Vertrauenssache. Kann ich eigentlich Anneliese blind vertrauen?
13
Drei Tage sind wir schon ohne männliche Gesellschaft. Anneliese hat wohl aus lauter Enttäuschung ihre zwei jüngsten Enkelkinder für die Herbstferien eingeladen; ich dagegen habe lange mit Rudi telefoniert, um ihn eventuell für eine Stippvisite zu ködern.
»Das kriege ich in diesem Monat nicht mehr gebacken«, sagt er. »Die Schüssel hat einen Sprung.«
Ich bin stolz, daß ich sofort Bescheid weiß: nicht er, sondern sein
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