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Ladylike

Ladylike

Titel: Ladylike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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Schreiben gelernt, doch das Zeichnen eines Hakenkreuzes bereitete mir noch Schwierigkeiten. Ich erinnere mich genau, wie mir eine Tante den Rat gab, zuerst eine Vier zu malen und dann an drei Ästen einen Seitenzweig anzubringen. Meine Mutter war nicht gerade begeistert über meinen bejubelten Erfolg, aber sie seufzte nur. Als kleines Mädchen hatte ich ihre Abneigung gegen den Nationalsozialismus zwar stets gespürt, aber nicht verstanden. Aus Vorsicht schwieg sie sich darüber aus.
    Wir Kriegskinder haben viel an unbeschwerter Geborgenheit entbehren müssen; unbeabsichtigt übertrugen sich die Ängste der Erwachsenen auf ihre Nachkommen.
    Später wurde auch die Wahl unserer Ehemänner von den unausgesprochenen Wünschen unserer Mütter beeinflußt, Sicherheit stand an oberster Stelle. Obwohl wir unsere Liebe für tief und rein hielten, so waren wir doch brave Töchter, die es ihren Eltern recht machen wollten. Ein anständiger Mann, der seine Familie versorgen konnte, war der Traum aller Mütter. An oberster Stelle stand ein Beamter auf Lebenszeit. Was Wunder, daß unsere Ehen nicht zu einer Quelle des Frohsinns gediehen. Den jungen Männern ging es nicht besser. In der spießbürgerlichen Nachkriegsepoche hatte das Streben nach einer gesicherten Karriere absolute Priorität. Hierzu gehörte auch eine gutfunktionierende Ehefrau, die mehrere Kinder bekam, den Haushalt perfekt versorgte und ihrem Mann den Rücken stärkte.
    Trostlos war unser Leben deswegen nicht. Über die kleinen Freuden, die uns jene als fortschrittlich empfundene Nachkriegszeit bescherte, kann die heutige Generation nur lächeln. Ich weiß noch gut, wie Anneliese und ich in den 50er Jahren die erste Pizza aßen und diesen kulinarischen Höchstgenuß als unerhört schick und weitläufig empfanden. Vielleicht läßt es sich für unsere Enkel mit dem Besuch eines kantonesischen Schlangenrestaurants vergleichen.
     
    Hoffentlich können wir im Verein mit unseren jugendlichen Begleitern noch etwas Aufregendes erleben. Morgen werden wir von den verliebten Fremdenführern abgeholt, und die Reise kann beginnen. Die Koffer sind gepackt; Anneliese bringt gerade einen warmen Apfelkuchen zur Nachbarin, um das Gießen ihrer Lieblingspflanzen im voraus zu belohnen. Ich will noch rasch ein bißchen bügeln, damit keine unerledigte Arbeit liegenbleibt.
    Als ich den Telefonhörer abnehme, schreit eine unbekannte Frau in schrillem Diskant auf mich ein. Es ist Ewalds Tochter, die verzweifelt ihren Vater sucht.
    Ich teile ihr mit, daß wir kürzlich eine Karte aus Italien erhalten haben, in der Ewald seine baldige Rückkehr ankündigt.
    »Meine Mutter ist tot!« sagt die Fremde und schluchzt laut auf.
    Vor Schreck bekomme ich eine Gänsehaut und kein Wort über die Lippen. Schließlich habe ich mich etwas gefaßt und frage, was denn passiert sei.
    Wie verabredet, hatte Ewalds Sohn seine Mutter in der Klinik abgeholt und nach Hause gefahren. Von dort aus hatte Bernadette noch am selben Tag ihre Tochter angerufen und versichert, es gehe ihr nach der Kur viel besser. Eine Woche später versuchte die Tochter vergeblich, ihre Mutter zu erreichen, und machte sich schließlich Sorgen. Es war nicht Bernadettes Art, allzuoft das Haus zu verlassen.
    Heute, an ihrem freien Tag, war die beunruhigte Tochter schon früh am Morgen die fünfzig Kilometer bis zu ihrem Elternhaus gefahren, um nach dem Rechten zu sehen. Sie fand zwei Tote: Ihre Mutter und einen unbekannten Mann. Angekleidet und in mehrere Wolldecken gehüllt, lag Bernadette auf dem Sofa, der Fremde im Bett des Gästezimmers.
    Sie habe nichts angerührt und sofort die Polizei gerufen, aber Spuren äußerlicher Gewalt waren auf den ersten Blick nicht zu entdecken, es fand sich auch kein Abschiedsbrief. Der Arzt stellte zwar fest, daß der Tod bereits vor einigen Tagen eingetreten sein mußte, konnte aber nichts über die Ursache sagen. Eine Obduktion sei unvermeidlich.
    Falls Ewald bei uns auftauchen sollte, würde ich ihn natürlich sofort zu seinen Kindern schicken, verspreche ich. Und zum Schluß erlaube ich mir noch die Frage: »Kennen Sie eine gewisse Dr. Yola Schäfer?«
    Ewalds Tochter verneint und verabschiedet sich rasch, denn sie will weiter nach dem verschwundenen Vater forschen. Von einem Ferienhaus in Ligurien ist ihr nichts bekannt. Vor Aufregung habe ich weder ihren Namen richtig verstanden, noch ihre Telefonnummer notiert.
    Als ich Anneliese das Nachbarhaus verlassen sehe, laufe ich ihr völlig

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