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Ladylike

Ladylike

Titel: Ladylike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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dem jungen Mann flirten! Die hübschen Showmaster im Fernsehen schäkern auch am liebsten mit einer Oma, weil sie dann zu Hause keinen Ärger kriegen und hunderttausend andere Großmütter vorm Bildschirm sitzen und denken: Nein, was für ein charmanter Junge!«
     
    Von Ewald hören und sehen wir nichts, was ich mir nicht ganz erklären kann; genaugenommen bin ich beunruhigt. Weil ich Anneliese nicht mit meinen diffusen Ängsten anstecken will, rufe ich hinter ihrem Rücken wieder bei der Oberärztin an. Ich will noch einmal ihre Stimme hören und habe mir die Ansage des Anrufbeantworters nicht richtig gemerkt. Diesmal meldet sich jedoch kein Automat, sondern eine Ausländerin, die mich nicht versteht.
    Als ich es mit Englisch versuche, kommt nach einem halbunterdrückten Kichern die knappe Auskunft: »Miss Yola honeymoon!«
    Draußen im Garten sehe ich Anneliese, wie sie die Samenstände der Studentenblumen einsammelt. Ausnahmsweise trägt sie einen Strohhut, damit die Sonne das neue Blond ihrer Haarsträhnen nicht ins Grünliche verfärbt.
    Hat das Hausmädchen tatsächlich Flitterwochen gemeint, oder war es ein Mißverständnis?
     
    Inzwischen haben Anneliese und ich schon konkrete Reisepläne ausgetüftelt, aber irgendwie ist mir gar nicht mehr nach Urlaub zumute. Unsere erste und kürzeste Etappe sollte in einem Tübinger Hotel enden, dann war ein Besuch des Blautopfs und schließlich, als südlichste Station, der Bodensee vorgesehen. Danach stand ein Abstecher nach Freiburg mit einer etwas längeren Unterbrechung im Elsaß auf dem Programm, bis wir schließlich mit beliebigen Pausen nach Hamburg fahren wollten. Das nördlichste Ziel unserer Reise war Sylt, wo wir uns vor der Heimfahrt ein paar Tage ausruhen wollten. Ob das alles nicht fast zuviel war und ohne große Strapazen bewältigt werden konnte, wußten wir nicht so genau.
     
    Anneliese steht am Gartentor und schwatzt. Leider sehe ich ihr Gegenüber nicht. Aus dem gelben Zustellwagen schließe ich jedoch auf die Briefträgerin, öffne das Fenster und spitze die Ohren.
    »Sie haben die gleichen Ausdrücke wie mein Papa«, sagt die junge Frau »der sagt auch immer voll coooool …«
    Ich verkneife mir das Lachen. Meine Freundin hat sich anscheinend im Ton um zwanzig Jahre vergriffen. Mit rotem Gesicht und einer Karte in der Hand trampelt Anneliese ins Haus.
    »Kapierst du das? Eine Postkarte aus Ligurien kann doch keine zwei Wochen unterwegs sein! Und nun rate mal, wer uns schreibt!«
    Sie scheint sich maßlos aufzuregen, also muß es Ewald sein. Ich reiße ihr die Karte aus der Hand.
     
    Meine Lieben! Bin in geheimer Mission in Castellaro, wo Freunde ein Ferienhaus besitzen. Anneliese hätte ihre helle Freude am hiesigen Bauernmarkt, und mit Lore würde ich gern stundenlang wandern. Ich melde mich, sobald ich wieder in Deutschland bin. Alles Liebe, Ewald
     
    Liebe am Anfang, Liebe am Ende, denke ich verwirrt. Auch Anneliese murmelt »in allen vier Ecken soll Liebe stecken« und wird nicht schlau aus der geheimen Mission. Auf der Vorderseite der Karte ist ein uralter Olivenbaum abgebildet, und ich lese: Bella Liguria.
    Nun erzähle ich schweren Herzens, was ich an Yolas Telefon erfahren habe.
    »Ungeheuerlich!« ruft Anneliese empört. »Dieser Mistkerl soll sich nie wieder bei uns blicken lassen! Es wird höchste Zeit, daß wir abreisen, damit er vor verschlossenen Türen landet!«
    Wir leiden beide, aber unser Zorn hilft ein wenig über die Enttäuschung hinweg.
    »Überhaupt, wie kann man nur Yola heißen!« ereifert sich Anneliese. »Wohl eine Abkürzung von Jolanthe. Und so heißen Schweine!«
    Ich nehme an, daß ihr Wissen aus irgendeiner Komödie oder Operette stammt.
    »Wahrscheinlich sammelt er exzentrische Namen«, sage ich, »Bernadette mußte irgendwie übertrumpft werden!«
    »Oder er arbeitet sich durchs Alphabet«, sagt meine aufgebrachte Freundin, »nach A wie Anneliese kam B wie Bernadette, und nach Yola fehlt bloß noch eine Zoe!«
    Zudem ist Ewald ein Feigling, finden wir, denn warum hat er nicht einfach angerufen? Abgesehen davon, daß er ein Handy zur Verfügung hat, gibt es heutzutage fast in jedem Ferienhaus einen Telefonanschluß. Anneliese unterstellt ihrem Tanzstundenherrn sogar, daß er sich in Wirklichkeit gar nicht in Italien aufhält und diese Karte von einem Komplizen einwerfen ließ. »Als Alibi«, behauptet sie.

15
    Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde mein Vater eingezogen. Voller Stolz hatte ich gerade Lesen und

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