Ladylike
aufgelöst entgegen. Mein Gott, ich kann nur hoffen, daß sie keinen Doppelmord auf dem Gewissen hat!
Meine Freundin bleibt aus Prinzip bei Katastrophenalarm völlig ruhig und treibt mich zur Weißglut damit.
»Komm erst einmal ins Haus«, sagt sie ungerührt, »schließlich braucht nicht die ganze Straße mitzuhören.« Bevor sie sich in der Küche hinsetzt, holt sie Mineralwasser aus dem Kühlschrank und trinkt direkt aus der Flasche. »Jetzt mal schön der Reihe nach«, sagt sie mit unendlichem Gleichmut, »wer hat angerufen, und wer ist gestorben?«
»Anneliese«, fauche ich sie an, »Bernadette und ein unbekannter Mann – wahrscheinlich der Organist – sind seit Tagen tot. Sag mir sofort, ob du etwas damit zu tun hast!«
»Natürlich nicht«, sagt sie empört, »du weißt am besten, daß wir die ganze Zeit zu Hause geblieben sind. Baden-Baden war unser letzter und einziger Ausflug! Außerdem hat uns Ewald mehrmals gesagt, daß sowohl Bernadette als auch ihr Freund mit einem Fuß im Grab stehen!«
»Das mag ja alles wahr sein«, sage ich, »aber deswegen hat doch niemand das Recht, den Todestag nach eigenem Gutdünken zu bestimmen! Und überhaupt – warum mußte der arme Orgelmensch dran glauben? Ich fürchte, da habt ihr einen schlimmen Fehler begangen.«
»Was heißt ihr «, empört sich Anneliese, »ich bin so unschuldig wie ein neugeborenes Kind. Es sieht dir ähnlich, daß du mir die Vorfreude auf unsere Reise vergällen willst!«
Ich reagiere entsetzt. Wer möchte sich unter diesen Umständen auf eine Vergnügungsreise begeben! Und wie sollten wir Ewald dann benachrichtigen?
»Ach geh«, sagt Anneliese, »was ist denn los mit dir! Ewald ist schließlich ein erwachsener Mann und wird sich so oder so bei seinen Kindern melden. Und wenn nicht, dann ist er selber schuld.«
Nach einigem Hin und Her hat sie mich davon überzeugt, daß wir den netten Studenten nicht einfach absagen und zudem keine Verantwortung für Ewalds italienische Eskapaden übernehmen können.
Pünktlich um zehn warten unsere Chauffeure an der Tür, ihr eigenes Gepäck besteht aus zwei ausgebeulten Sporttaschen. Sie scheinen sich auf diese Reise richtig zu freuen und sie nicht nur als notwendigen Nebenverdienst anzusehen. Nachdem sie unsere Koffer verstaut haben, steigen wir ein. Anfangs sitzt das Mädchen am Steuer, später will ihr Freund übernehmen. Beide haben sich schwarze Sonnenbrillen und dunkle Schirmmützen aufgesetzt, wohl um ihren neuen Status durch eine angedeutete Uniform zu unterstreichen.
Unterwegs erzählen sie von früheren Jobs, die sich fast alle im gastronomischen Bereich abspielten.
»Rikki hat vom ewigen Servieren einen strammen Bizeps bekommen«, sagt ihr Freund und schiebt der Fahrerin zum Beweis den kurzen Ärmel hoch. »Wenn man unentwegt ein Tablett mit Maßkrügen schleppt, kriegt man Muskeln wie ein Preisboxer!«
»Nimm die Griffel weg, Moritz«, sagt Ricarda etwas unwillig, gibt aber zu, daß die Arbeit in einem Biergarten nicht gerade ihr Traumberuf war.
Wir erfahren, daß alle beide Veterinärmedizin studieren, allerdings erst im zweiten Semester.
»Moritz ist ein bißchen älter als ich«, sagt sie, »er war Zivi, und er ist in der Schule sitzengeblieben.«
»Das war wohl die Rache für den Bizeps«, sagt Moritz, und beide lachen.
Dann erzählt Moritz, daß er im letzten Sommer bei der Security gearbeitet habe, als Assistent eines Kaufhausdetektivs.
»Mit Schußwaffe?« fragt Anneliese.
Nur mit einem Schlagstock, sagt er, mehr sei nicht erlaubt. Wenn man aber glaube, daß bloß pubertierende Schüler oder Kriminelle gelegentlich etwas mitgehen ließen, so sei man auf dem Holzweg. Priester, Professoren und Hausfrauen seien schon mit dicken Büchern in der Plastiktüte ertappt worden.
»Ich würde ja vor Scham im Erdboden versinken«, sagt Anneliese. »Wie kann man nur so blöd sein und sich erwischen lassen!«
Moritz klatscht Beifall, aber Ricarda zischt ihn an: »Das finde ich gar nicht witzig!«, und zu Anneliese sagt sie streng: »Wenn ich Ihnen jetzt 50 Euro aus dem Portemonnaie klaue, dann halten Sie mich für eine schäbige Diebin. Warum soll ein Studienrat, wenn er den dritten Band einer Kunstgeschichte gestohlen hat, als feinsinniger Ästhet gelten? Für mich gibt es da keinen Unterschied, ich habe mit Bücherdieben kein Mitleid!«
Insgeheim freue ich mich, daß die junge Frau meiner skrupellosen Freundin einen Rüffel erteilt.
In Tübingen habe ich gleich beim
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