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Ladylike

Ladylike

Titel: Ladylike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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Exklusiver Schmuck für die Reichen und diverse Souvenirs für die Touristen. Herzen aus Topas, Mondstein, Feueropal und Achat, sogenannte Donuts aus Jade, Aventurin, Hämatit und Tigerauge. Mein Gott, ich kenne mich mit Halbedelsteinen natürlich aus. Trotzdem kann ich es nicht lassen, mich nach den Preisen zu erkundigen. Das Herz aus Amethyst ist das kostbarste, stelle ich mit Genugtuung fest, und genau das gehört jetzt mir und nicht Anneliese. Aber diese Erkenntnis macht mich nicht glücklicher, denn Ewald hat es dem Zufall überlassen, wer nach welchem Päckchen griff.
    Seltsamerweise geht mir der bewußtlose Ewald nicht aus dem Kopf, obwohl dieser Anblick bestimmt nicht geeignet war, erotische Phantasien zu erzeugen. Wenn meine Freundin nicht dabeigewesen wäre, hätte ich ihn vielleicht in die Arme genommen und an meinem Körper aufgewärmt.
    Es ist schon verwunderlich, daß zwei betagte Freundinnen wie Teenager fühlen, sobald es um einen Mann geht. Statt Eifersucht und Neid zu empfinden, sollten wir uns lieber auf weibliche Solidarität und unsere mühsam erworbene Altersweisheit besinnen.
    Zumindest Neid ist eine der sieben Todsünden. Ich grüble lange, ob mir noch sechs weitere einfallen. Völlerei gehört sicherlich dazu, Geiz wohl auch. Von mir aus kann Anneliese ihren Ewald behalten, ich bin schließlich kein Geizkragen.
    Sie hocken immer noch zusammen, als ich zurückkomme; auf Annelieses Teller erkenne ich die Reste einer Torte.
    »Wißt ihr noch, welches die sieben Todsünden sind? Und zwar außer Völlerei?« frage ich.
    Anscheinend sind die beiden gerade zu Albereien aufgelegt, denn sie grinsen mich an.
    »Zorn, Trägheit und Hochmut«, predigt Ewald.
    »Wollust«, stöhnt Anneliese.
    Kaum will ich dieses Thema vertiefen, da klingelt Ewalds Handy.
    Wie wir das bereits von ihm kennen, begibt er sich zum Telefonieren mal wieder ins Abseits. Wir können kein Wort mithören, beobachten ihn aber mit Argusaugen. Es scheinen gute Nachrichten zu sein.

22
    Für eine Midlife-crisis bin ich entschieden zu alt. Wahrscheinlich ist es eine allgemeine Sinnkrise, die mich beutelt. Ich liege in meinem schönen Hotelzimmer, schaue hinaus auf den Leuchtturm und frage mich: Was soll das alles? Ferien auf Sylt? Was mache ich eigentlich hier? Was will ich überhaupt noch, was möchte ich vom Rest meines Lebens?
    Einen Mann brauche ich nicht mehr, aber gutes Essen allein stimmt mich auch nicht froh. Einen schönen Urlaub und ein bißchen Spaß habe ich mir gewünscht, aber bin ich nicht früher viel zufriedener gewesen, als ich mit Arbeit vollgepackt war? Müssen Rentner überhaupt Ferien machen?
    Ewald hat die Nachricht erhalten, daß seine Frau jetzt bestattet werden könne. Wie erwartet, sei bei der toxikologischen Untersuchung ein Medikamentenabusus festgestellt worden, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod geführt habe. Nun will er sofort nach Hause, um mit seinen Kindern die Beisetzung zu organisieren. Heute ist unser letzter gemeinsamer Abend, denn auch Rudi möchte seinen Laden nicht länger geschlossen halten. Theoretisch könnten Anneliese und ich noch ein paar Tage an der Nordsee bleiben, aber ich habe keine Lust dazu. Seufzend stehe ich auf, um mich für das Abendessen frisch zu machen.
     
    Die Speisekarte interessiert inzwischen nur die Studenten, die sich sonst kein Restaurant leisten können.
    Ewald meint: »Wenn ich morgen wieder zu Hause bin, mache ich mir Bratkartoffeln, das ist das einzige, was mir gelingt. Und dazu eine saure Gurke, ein Stück Sülze oder Leberwurst.«
    Ja, so ist das, denke ich deprimiert. Da gebe ich täglich Unsummen für ein fürstliches Mahl meines Gefolges aus, aber im Grunde träumen alle schon bald von einfachen Genüssen. Pellkartoffeln mit Quark wären mir heute auch lieber als eine doofe Hirschnuß.
    »Ich kann es kaum erwarten, wieder im Flugzeug zu sitzen«, sagt Ewald, »das war für mich das schönste an dieser Reise!«
    Rudi schüttelt sich. »Und für mich das scheußlichste!« sagt er. »Am liebsten würde ich mit euch im Auto zurückfahren, aber da ist wohl kein Platz mehr.«
    Zur Not schon, aber mit fünf Personen plus Gepäck wäre mein Wagen reichlich vollgestopft.
    »Wißt ihr was«, schlägt Ewald vor. »Lore könnte doch auf Rudis Ticket fliegen, und er läßt sich mit Anneliese im Auto kutschieren – dann ist jeder zufrieden! Und in Hamburg treffen wir alle wieder zusammen.«
    Eine Sekunde lang durchzuckt mich ein überwältigendes Glücksgefühl: Das

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