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Ladylike

Ladylike

Titel: Ladylike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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ist es, was ich mir schon lange gewünscht habe! Wie kommt es, daß Ewald meine geheimsten Träume kennt?
    Ich schaue ihn strahlend an, und wir lächeln uns zu wie Komplizen.
    Nur Anneliese ist offenbar nicht recht einverstanden, am liebsten würde sie noch eine Woche hierbleiben. Außerdem gönnt sie mir diese Extratour mit Ewald nicht.
    Rudi kommt ihren Einwänden zuvor. »Ach, Anneliese«, sagt er, »findest du diese Idee nicht wunderbar? Du kannst mir sicher nachfühlen, daß ich dieses laute Wackelflugzeug hasse und mir ein Platz im Auto um Welten lieber ist. Außerdem freue ich mich darauf, wenn du unterwegs ein paar Arien schmetterst!«
    Lukas schaut interessiert von seinem Teller hoch.
    »Arien?« fragt er mit vollem Mund.
    »Echt?« fragt Ricarda.
    »Cool!« sagt Moritz.
    Nun wird Lukas neugierig. »Das wäre die Krönung unseres Abschiedsessens«, sagt er zu Anneliese und spielt dabei lässig mit Rudis Hand.
    »Ohne Klavierbegleitung ist das kaum möglich«, sagt die Sängerin, die sich gern bitten läßt. Ich werfe ihr einen warnenden Blick zu. Doch schon trällert sie ein Lied, von dem ich erst unlängst geträumt habe; Anneliese sieht sich als Sofia Loren in einem Cabrio sitzen:
     
    Presto, presto, do your very besto.
    Don’t hang back like a shy little kid.
    You’ll be surprised that you did what you did!
     
    Beim Refrain singen alle mit: Bing bang bong! , und die verlorengeglaubte gute Laune ist wieder da. Zum Glück haben die anderen Hotelgäste das Restaurant bereits verlassen. Nach drei weiteren Songs reicht es den beiden Paaren.
    Auch Ewald empfiehlt sich, küßt uns die Hand und sagt: »Schlaft gut und träumt von eurem Herzbuben!«
     
    Am nächsten Morgen starten die Autofahrer lange vor uns. Ewald und ich müssen gegen elf die Zimmer räumen, denn unser Flugzeug geht erst mittags. Wir haben genug Zeit für einen letzten Strandspaziergang.
    Offenbar will mich Ewald ein bißchen über Anneliese aushorchen. »Gibt es eigentlich niemals Streit, wenn zwei Frauen zusammenwohnen?« fragt er.
    Ich verneine natürlich, obwohl es nicht der Wahrheit entspricht.
    »Wir verbringen ja nicht den gesamten Tag miteinander«, sage ich, »jede hat ihren privaten Bereich. Außerdem sind wir zu alt, um uns durch kindische Machtkämpfe gegenseitig zu provozieren.«
    »Ich werde nach den Trauerfeierlichkeiten mein Haus verkaufen müssen«, sagt Ewald. »Es ist zu groß für mich und gehört jetzt zur Hälfte meinen Kindern. Michaela hat keine Familie, sie wird kaum darin wohnen wollen. Und für meinen Sohn kommt es sowieso nicht in Frage, er besitzt eine Jugendstilvilla und könnte aus beruflichen Gründen auch gar nicht wegziehen. Ich werde sie auszahlen müssen.«
    »Schade, daß Annelieses Haus nicht größer ist«, überlegt er nach einer kleinen Pause. »Ich würde gern in Yolas Nähe leben, in eurer natürlich auch. Dann könnten wir drei eine prima Alten- WG gründen.«
    Nicht schlecht eingefädelt, alter Fuchs, denke ich, beim Kochen und Waschen würdest du dich geschickt aus der Affäre ziehen.
    »Auf Dauer wäre es zu eng«, sage ich, »denn du willst bestimmt deine komplette Einrichtung mitbringen!«
    »Auf keinen Fall«, sagt Ewald, »ich möchte mich schließlich verkleinern! Außerdem weiß ich ja, wieviel Zeugs ohnehin bei euch herumsteht. Aber abgesehen davon …« Er unterbricht seine Rede, bückt sich und hebt einen glänzenden Gegenstand auf, der direkt vor uns im Sand liegt.
    »Zeig mal her«, sage ich interessiert und nehme ihm die goldene Armbanduhr aus der Hand. Das Perlmuttzifferblatt ist mit kleinen Brillanten besetzt. »Donnerwetter! Ungefähr 3000 Euro«, schätze ich, »da wird sich jemand ziemlich grämen! Fürs Fundbüro ist keine Zeit mehr, aber wir können das gute Stück im Hotel abliefern.«
    Ewald nimmt die Uhr wieder an sich und steckt sie in die Hosentasche.
    »Lore«, sagt er, »Strandgut darf man behalten.«
    »Es ist eine Damenuhr«, bemerke ich.
    Ewald lacht. »Genau!« sagt er.
    Es ist nicht lange her, daß ich eine rote Strickjacke im Schwetzinger Schloßpark gefunden und ohne Skrupel heute angezogen habe. Steht es mir zu, den ersten Stein zu werfen? Mit einem gekünstelten Auflachen erteile ich die Absolution. Zur Belohnung geht Ewald das letzte Stück Hand in Hand mit mir.
     

Wir freuen uns beide auf den Flug. Die liebenswürdige Hotelchefin hat versprochen, uns zum kleinen Airport zu bringen. Ewald behauptet, wir würden mit einer Cessna 182 oder 172

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