Ladylike
fliegen.
Sobald wir hinter der jungen Pilotin sitzen und mit lautem Geknatter starten, geht mir vor Begeisterung das Herz auf. Ewald hatte recht, wir fliegen sehr niedrig, man kann den Kühen fast ins Auge sehen, und bald liegen die nordfriesischen Nachbarinseln wie auf einer Landkarte unter uns. Noch aufregender ist es, das himmlische Licht- und Wolkenspiel zu beobachten. Obwohl wir in dem winzigen Flugzeug zwangsläufig beide einen Fensterplatz haben, scheint meine Seite die interessantere zu sein, denn Ewald preßt sich immer dichter an mich, um auf eine Kuh oder ein Bauernhaus hinzuweisen. Wenn ich auch etwas irritiert gegen die fordernde Schwere seines Körpers ankämpfe, so werde ich gleichzeitig von einer Welle des Glücks durchflutet. Als sich seine Hand, die ich immer für männlich und wohlgeformt gehalten habe, auf meinen Arm legt, beginnt meine Haut an dieser Stelle zu brennen, als hätte man einen Sonnenstrahl durch eine Lupe geleitet. Auf einmal kann ich nichts mehr erkennen, was da unter uns ausgebreitet liegt, vor meinen schmerzenden Augen gleißen nicht vorhandene Rapsfelder in strahlendgelben Wogen.
Obwohl ich gern die Zeit angehalten hätte, um jeden Augenblick endlos auszukosten, sind wir schnell am Ziel. Wahrscheinlich habe ich mich in dieser wunderbaren Stunde wider alle Vernunft doch noch in Ewald verliebt.
Auf dem Hamburger Flughafen heißt es Abschied nehmen.
»Macht’s gut, Mädels«, sagt Ewald. »Ihr hört bald von mir!«
Wir winken ihm nach, bis wir erkennen, daß er sich bereits in eine Ecke verzogen hat und telefoniert.
Anneliese mustert mich aufmerksam. »Wie war der Flug? Du strahlst ja wie ein Honigkuchenpferd!«
»Tja«, sage ich schnippisch, »du ahnst gar nicht, was dir entgangen ist!«
Je weiter wir nach Süden kommen, desto trüber wird das Wetter. Anneliese sieht darin die Bestätigung, daß wir besser noch ein paar Tage am Meer geblieben wären. Ihre Stimmung verdüstert sich. Auch die beiden Chauffeure scheinen sich über irgend etwas zu streiten, aber sie sprechen sehr leise und nur in Andeutungen.
»Was hat Ewald eigentlich am Schluß noch gesagt?« flüstert mir Anneliese zu, denn anscheinend grübelt sie genau wie ich darüber nach, was werden soll.
Nach längerem Brüten und Schweigen fängt sie wieder an, und zwar viel leiser als sonst: »Was hieltest du davon, wenn Ewald für eine Weile zu uns zöge?«
Ich weiß nicht recht, ob ich mich ärgern oder freuen soll.
»Er würde wohl sehr gern mit mir – beziehungsweise mit uns – etwas enger zusammenleben«, meint sie.
Was soll ich dazu sagen? Daß ich von Ewald anders informiert wurde?
Er bedauerte doch, daß Annelieses Haus nicht größer sei. Nun, von engerem Zusammenleben hat Anneliese gerade gesprochen. Wenn Ewald das Bett mir ihr teilen möchte – oder eher sie mit ihm –, dann braucht er in der Tat kein separates Schlafzimmer und könnte sich in einer der Mansarden ein kleines Büro einrichten.
Das versetzt meinen soeben noch frischen und jugendlichen Gefühlen einen gehörigen Dämpfer. Leicht resigniert sage ich: »Wir wollten doch eigentlich keinen alten Mann mehr im Haus!«
Die Studenten haben wir ganz vergessen, und sie schalten wohl aus Taktgefühl das Radio ein.
»Hat Ewald dir eigentlich schon erzählt, daß er noch einmal Großvater wird?« platzt es plötzlich aus Anneliese heraus. »Yola war bei der Hochzeit bereits im dritten Monat.«
»Was hat Ewald denn für einen Schwiegersohn?« will ich wissen. Yola hat einen Kollegen geheiratet, der im Heidelberger Stadtteil Handschuhsheim eine Praxis eröffnet hat. Sie wolle noch bis zur Entbindung in der Klinik und später stundenweise bei ihrem Mann arbeiten.
»Warum zieht Opa Ewald nicht gleich bei seiner tollen Yola ein?« frage ich, denn eine fatale Vision taucht vor mir auf. Wenn die spätgebärende Arbeitsbiene ihren Vater demnächst als Babysitter benötigt, wird er den plärrenden Säugling womöglich uns andrehen. Während ich den Kinderwagen im Schloßpark herumschieben muß, tanzen Ewald und Anneliese auf dem Tisch herum. Ich kann mir dieses Bild so lebhaft vorstellen, daß mir Tränen in die Augen steigen.
Natürlich entgeht es Anneliese nicht, daß ich mich aufrege, aber sie scheint es zu genießen.
»Vielleicht könnte man unsere Garage als Einliegerwohnung umbauen«, überlegt sie, »du stellst deinen Wagen ja sowieso auf die Straße.«
Ja, was denn nun? Erst ging es darum, daß Ewald nur so lange bei uns unterkommen
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