Laennaeus, Olle
Liste über alle bekannten Namen.»
Er gibt auf der Tastatur diverse Suchbegriffe
ein. Konrad steht vom Sofa auf und schaut ihm über die Schulter.
«Und was ist das?»
«Genau das, wonach es aussieht. Junge
schwedische Männer von Ystad bis Haparanda. Eine Menge Idioten, denen irgendwer
weisgemacht hat, dass sie einem Herrenvolk angehören.»
Auf dem Bildschirm ist ein Dokument
mit einer langen Liste von Namen und Orten zu sehen. Die Männer kommen aus dem gesamten
Land. Stockholm, Göteborg und Malmö. Aber auch aus Härnösand, Skövde und Kristianstad.
Und kleineren Orten, die Konrad nicht einmal auf der Karte lokalisieren kann. Sie
besitzen durch und durch schwedische Namen: Holmgren, Kjellberg, Persson und Johansson.
Konrad sieht sie vor sich: blonde Jünglinge mit geröteten Wangen und aufgeschlossenen,
entschlossenen oder auch trotzigen Mienen. Junge Männer, die ihre Familien und ihr
sicheres Zuhause verlassen haben, um für eine Sache zu kämpfen, an die sie aus irgendeinem
Grund zu glauben schienen. Was hat sie angetrieben? Vielleicht Hass oder Bitterkeit.
Vielleicht auch die Angst vor den Drohungen aus dem Osten. Die altbekannte Angst
vor dem Russen. Oder war es nur jugendliche Abenteuerlust? Konrad stellt sich vor,
dass sie sich jungenhaft kabbeln und gegenseitig aufziehen, während sie übers Meer
schippern. Er kann sich denken, dass sie etwas gehemmt, aber voller Eifer reden,
wie man es aus alten schwedischen Schwarz-Weiß-Filmen kennt.
Sie können ja nicht wissen, was sie
erwartet.
Einige Namen auf der Liste sind mit
Anmerkungen versehen:
Gefallen bei Riga.
Gefallen bei Byalostok.
Gefallen in Berlin.
Dann richtet Sven den Cursor auf einen
wohlbekannten Namen: Kurt Nilsson, Tomelilla.
Konrad holt tief Luft. Sieht den hilflosen
alten Mann vor sich, wie er in seinem Rollstuhl im Pflegeheim in Byavängen sitzt.
Mager wie ein Spatz, aber mit einem würdigen, kerzengerade gezogenen Scheitel im
Haar. Ein freundlicher alter Mann, würde so mancher denken. Aber derjenige, der
die Erinnerungsfragmente früherer Zeiten in Kurt Nilssons wässrigen grauen Augen
hat aufblitzen sehen und den Abgrund, aus dem sie heraufdrängen, erahnen kann,
wird es sicher anders sehen.
Konrad muss auch an die Fotografie
auf Gudrun Vernerssons Sekretär denken. Der stilvolle Kommissar in seiner Uniform.
Ein Mann in den besten Jahren, der es gewohnt ist, Befehle zu erteilen, die ohne
Widerspruch befolgt werden.
Doch der Name auf Svens Bildschirm
gehört einem weitaus jüngeren Kurt Nilsson. Hat er den Hass schon sein ganzes
Leben mit sich herumgeschleppt?
«Er ist wahrscheinlich einer der Letzten,
die noch leben», sagt Sven. «Die Jüngsten müssen heute auch schon weit über achtzig
sein.»
«Er hat darüber gesprochen, als ich
ihn im Heim besucht habe. Division Nordland. Der stolzeste Verband im gesamten
Reich.»
«Einen Grund, stolz zu sein, hat er
wahrlich nicht. Aber die Schweden hatten den Ruf, pflichtbewusste Soldaten zu sein.
Sie waren unter den Letzten, die Hitler verteidigten, als er im Bunker in Berlin
gekauert und seinen Selbstmord mit Eva Braun vorbereitet hat. Im Krieg sind ziemlich
viele Schweden draufgegangen. Aber diejenigen, die überlebt haben, sind hinterher
nicht weiter aufgefallen. Haben sich hinter dem schwedischen Sozialstaat versteckt
und sich über das ausgeschwiegen, was sie erlebt haben. Viele von ihnen waren praktisch
nichts anderes als Kriegsverbrecher und Judenmörder.»
In Svens Augen ist ein flüchtiger dunkler
Schatten zu erkennen, hinter dem sich möglicherweise Wut verbirgt.
«Und Schwulenmörder?»
«Vielleicht auch», antwortet Sven und
kratzt sich nachdenklich im Nacken. «Die Nazis haben viele Homosexuelle ermordet.
Aber ob die Schweden bei derartigen Aktionen involviert waren, weiß ich wirklich
nicht.»
Er steht unerwartet auf und öffnet
einen dunklen Eichenschrank, der eingeklemmt zwischen zwei Bücherregalen steht.
Er ist voll mit Aktenordnern. Sven holt ein paar von ihnen heraus und setzt sich
dann auf das knarrende Sofa neben Konrad.
«Es waren mehrere Hundert Schweden,
die sich bei den Deutschen als Soldaten ausbilden ließen. Die SS-Panzerdivision
Wiking ist bis in den Kaukasus vorgedrungen, wo sie zum Ziel hatte, die russischen
Ölquellen zu erobern. Und dann ist da noch die SS-Panzergrenadierdivision Nordland,
die den abschließenden Kampf gegen die Rote Armee in Berlin mitbestritten hat.»
Sie sitzen eine Weile Schulter an Schulter
und blättern in den
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