Laennaeus, Olle
Also bleibt uns
nur Gunnar.»
«Du hast recht. Aber wie finden wir
ihn?»
Ein triumphierendes Lächeln vertreibt
die Müdigkeit aus Svens Gesicht. Mit einem Mal wirkt er wieder voller Eifer.
«Alles kann man irgendwie herausfinden.
Du bist immerhin an einen Experten geraten.»
Er steht unvermittelt auf, setzt sich
an den Computer und beginnt frenetisch, die Tastatur zu bearbeiten. Konrad spürt,
wie sich eine schwindelerregende Hoffnung in seinem Körper auszubreiten beginnt.
Die Hoffnung, tatsächlich zu erfahren, was mit seiner Mutter geschehen ist.
KAPITEL 32
A ls der Zug
durch den dunklen smäländischen Nadelwald fährt, geben die Räder ein gedämpftes
Rauschen von sich. Konrad döst mit der Wange gegen das kühle Fenster gelehnt auf
seinem Sitzplatz. Phantasiert von all den Trollen und bösen Geistern, die es in
diesem tiefen, unberührten Wald geben soll, vom Geruch der morschen Baumstämme und
von mit Moos überwachsenen Steinen und den Bedrohungen, die sich nur erahnen lassen.
Als sich die Landschaft wieder vor
ihm öffnet, spürt er, wie das Morgenlicht seine Augenlider schwer werden lässt.
Maria war erstaunt, als er anrief und
ihr mitteilte, dass er zu ihr hochkommen würde. Völlig überrascht, zumindest schien
es so. Auch wenn sie es mal wieder nicht lassen konnte, etwas schnippisch zu reagieren.
«Das wurde aber auch Zeit! Ich hoffe,
du lädst mich wenigstens zu einem leckeren Abendessen ein.»
Ein winziger, aber nicht zu überhörender
Einschlag der Stimme ihrer Mutter. Konrad schüttelt sich. Maria ist nämlich durch
und durch seine Tochter. Er sehnt sich bereits nach ihr. Nach derselben eckigen,
etwas zu großen Nase, wie er sie besitzt. Dem intensiven Blick, den er gerne, wie
andere Leute es tun, als ehrlich auffassen möchte. Und ihrer Sturheit, dieser verdammten
Sturheit. Er lässt sich vom Schaukeln des Zuges hin- und herwiegen.
Außer ihm sitzen nur noch zwei Fahrgäste
im Wagen.
Beide schräg gegenüber mit dem Rücken
zur Fahrtrichtung. Eine ältere Frau hält ein Papiertaschentuch umklammert. Auf dem
ausklappbaren Tischchen vor ihr liegt eine Ausgabe von Damernas Värld. Die Frau
ist rot und etwas feucht im Gesicht und wischt sich abwechselnd mit dem Taschentuch
die Augen und die Nase trocken. Es ist schwer auszumachen, ob sie weint oder einfach
nur erkältet ist. Ihr Blick gleitet hinaus über die weite Ebene vor dem Zugfenster.
In der Reihe vor ihr sitzt ein Mann,
der ebenfalls mindestens sechzig sein muss. Sein Gesichtsausdruck wirkt gequält;
er scheint unter der blaugestreiften Krawatte zu leiden, die ihn am Hals einengt.
Sein Anzug, der ziemlich billig aussieht, scheint ihm auch ein wenig zu eng zu
sein. Vielleicht graut ihm vor einer Zusammenkunft oder einem Vortrag, der ihn am
Zielort erwartet. Jedenfalls öffnet er in regelmäßigen Abständen seine Aktentasche
auf dem Sitz neben sich und blättert planlos in diversen Papieren in einer Kunststoffmappe.
Außerdem hat er offensichtlich Probleme mit der Magensäure: Neben den Dokumenten
in seiner Mappe liegt eine Schachtel mit Tabletten gegen Sodbrennnen.
Ob er möglicherweise so aussieht wie
er?, denkt Konrad in seinem Dämmerzustand. Sieht Gunnar Nilhem inzwischen so aus?
Sven ist es neulich Abend erstaunlich
schnell gelungen, ihn ausfindig zu machen. Der rotbraune Schopf seines Freundes
hat regelrecht geglüht, als wäre er elektrisch aufgeladen, als er im Internet surfte
und eine Menge öffentlich zugänglicher Register durchsucht hat, mit denen er offenbar
gut vertraut ist. Seine Brillengläser waren vor Aufregung beschlagen. Und nach einer
halben Stunde konnte er mit seinem zufriedenen Grinsen eine vollständige kleine
Personenermittlung vorlegen:
«Folgendes haben wir also: Gunnar Johansson
wurde am 17. März 1952 in Tomelilla geboren. Im Februar 1975 ist er nach Malmö gezogen.»
Sven hat hier eine Pause gemacht, um
kurz die Zahlen zu überschlagen.
«Das war also sieben Jahre, nachdem
Agnes verschwunden ist. Gunnar war damals 23 Jahre alt. Er ist doch genauso alt
wie Klas, oder? Nachdem er den Ort verlassen hat, ist er im Laufe der Jahre noch
öfter umgezogen. Ich hab seinen Namen zum Beispiel in einem Kurs der Erwachsenenbildung
in Heisingborg gefunden. Es scheint, als hätte er versucht, sich weiterzubilden.
Wie auch immer, jedenfalls hat er 1979 Lisbet Gunnarsson aus Malmö geheiratet. Im
selben Jahr haben beide den Namen Nilhem angenommen. Sie scheinen keine Kinder bekommen
zu haben. Und
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