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Laennaeus, Olle

Laennaeus, Olle

Titel: Laennaeus, Olle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das fremde Kind
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er. «Von einem amerikanischen Psychologieprofessor.
Douglas W. Wolftail heißt er. Oder hieß er, ich glaube, er lebt nicht mehr. Wie
auch immer, jedenfalls hat dieser Wolftail erklärt, wie es dem Menschen gelingt,
bestimme Funktionen der Erinnerung auszuschalten.
    Besonders Kindern. Man sortiert unbewusst
unangenehme Erinnerungen aus, ganz einfach. Das Fatale ist allerdings, dass diese
Erinnerungen nicht für immer verschwinden. Sie sind irgendwo im Gehirn gespeichert.
Es ist wie bei einer Festplatte. Man denkt, dass eine Datei verschwunden ist, aber
dann findet man sie schließlich in einem Cache oder in irgendeiner anderen Ecke
des Rechners wieder.»
    «Wenn man die richtigen Tasten drückt.»
    Sven nickt. «Genau. Wie Kurt Nilsson
es offensichtlich bei dir gemacht hat.»
    Die Gardine vor dem gekippten Fenster
flattert auf, als eine Windbö in den Raum weht. Dort draußen herrscht eine friedliche
Stimmung. Im Schatten unter dem Pflaumenbaum ist Lena eifrig dabei, die Farbe einer
spröde gewordenen Gartenbank abzuschleifen. Sie trägt eine fleckige Latzhose, ein
Tuch über dem Haar und arbeitet mit bloßen Armen. Die Sonne brennt heiß und gleißend
herunter. Das wild wuchernde Gras am Abhang hinunter zum Myrsjö ist vertrocknet
und gelb. Es sieht aus, als würde der geringste Funken einen Brand auslösen können.
    «Diese Hitze erscheint mir irgendwie
unnatürlich», sagt Sven und fächelt sich mit einer Zeitschrift Luft zu. «Verdammt,
wir haben jetzt schon seit Wochen dreißig Grad.»
    «Der Treibhauseffekt ...», sagt Konrad
ohne Überzeugung.
    Sven zuckt lediglich mit den Schultern
und schiebt die Hände in die Taschen seiner Leinenhose.
    «Ein richtiger Wolkenbruch, der die
Luft reinigt, danach sehne ich mich.»
    «Ich weiß nicht», meint Konrad, «seit
ich hierher zurückgekehrt bin, kommt es mir vor, als wären die Leute irgendwie
komisch. Sie wirken so niedergeschlagen. So resigniert und bitter. Es findet irgendwie
keine Entwicklung statt. Alles erscheint mir wie eine Kulisse, sozusagen.»
    «Ich bin mir nicht sicher, ob ich verstehe,
was du meinst», entgegnet Sven und schielt etwas misstrauisch zu Konrad rüber. «Aber
einige haben sicher allen Grund, verbittert zu sein. Das gesamte Kaff ist schließlich
dabei einzugehen. Hast du nicht all die leeren Geschäfte und Wohnungen gesehen?
Und an der Küste ist die Hölle los. Simrishamn, Ystad und Kivik. Zumindest im Sommer.
Da wimmelt es nur so von Stockholmern, die ganz versessen auf diesen Landstrich
sind.»
    Den letzten Satz spricht Sven mit einem
höhnischen Tonfall aus, einer mäßig gelungenen Nachahmung irgendeines Hauptstadtdialekts.
Er schnaubt verächtlich.
    «Hier in Tomelilla gibt es nur einen
stillgelegten Schlachthof und einen bescheuerten Billigsupermarkt, der den Leuten,
die nicht wissen, was sie in ihrer Freizeit machen sollen, Schrott verkauft. Kein
Wunder, dass die Immobilienpreise in den Keller gehen.»
    «Warum ziehen die Leute nicht einfach
von hier weg?»
    «Einige tun es ja. Aber andere ...
tja, wahrscheinlich denken sie, dass sie hier trotz allem eine gewisse Lebensqualität
genießen.»
    «Und du selber?»
    Hinter Svens Brillengläsern blitzt
es auf, als sich sein Gesicht zu einem breiten Lächeln öffnet.
    «Ich bin ja nicht wie die anderen,
wie du weißt. Und außerdem hab ich Lena. Die Leute hier draußen denken bestimmt,
dass wir ein bisschen gaga sind. Aber sollen sie ruhig. Das kümmert mich, ehrlich
gesagt, kein bisschen.»
    Sein Blick bekommt etwas Sehnsüchtiges,
als er ihn durchs Fenster nach draußen auf Lena richtet, die beim Abschleifen eine
Pause eingelegt hat und nun still im Gras sitzt, den Rücken an den Stamm des Pflaumenbaums
gelehnt. Ihre Augen sind geschlossen, und sie sieht aus, als sei sie eingeschlafen.
Neben ihr steht ein kleines Radio. Konrad hört die Musik ganz schwach. Es ist irgendetwas
Klassisches. Mozart vielleicht. Federleichte Melodien, die in der Windstille schweben.
    «Dieser alte Kommissar», beginnt Konrad.
«Glaubst du, dass an seinem Gefasel etwas Wahres dran ist?»
    Schweren Herzens wendet Sven seinen
Blick von der Freundin ab.
    «Ich glaub es nicht nur. Ich weiß,
dass es so ist.»
    Ohne Konrads erstauntem Gesichtsausdruck
Aufmerksamkeit zu schenken, geht Sven um den Schreibtisch herum und schaltet den
Computer an.
    «Die Schweden, die ihr Leben für Hitler
aufs Spiel gesetzt haben», sagt er in dramatischem Tonfall. «Es sind viele Bücher
über sie geschrieben worden. Ich hab hier eine

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