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Laennaeus, Olle

Laennaeus, Olle

Titel: Laennaeus, Olle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das fremde Kind
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Konrad.
    Bernhardsson, der schon mit einem Bein
im Auto ist, hält inne.
    «Ich würde gerne wissen, wer gelogen
hat. Ich möchte wissen, wer zum Teufel es war, der behauptet hat, mich an dem besagten
Abend in Tomelilla gesehen zu haben!»
    Zwei Autotüren schlagen zu. Konrad
und Fatima bleiben im Schatten unter den Bäumen zurück und sehen den Volvo auf der
Schotterstraße verschwinden.
    Das Mädchen murmelt irgendetwas vor
sich hin.
    Konrad kann nicht hören, was. Fragt
auch nicht nach. Stattdessen lässt er seinen Blick über den Himmel schweifen. Intensives,
ungebrochenes Blau. Die Unruhe nagt immer noch an ihm. Irgendetwas stimmt nicht.
Der Rote Milan, der vorhin noch auf der Jagd nach Beute über den Fluss segelte,
ist verschwunden. Und die Mäusebussarde ziehen ihre Kreise jetzt so weit in Richtung
Südosten, dass er ihre Schreie nicht mehr hört. Das Tal liegt still und einsam da.
     
    E s wäre so einfach
gewesen, denkt er in seiner Einsamkeit. Alles war so still und friedlich im Hof,
und es hätte nicht mehr als ein paar Sekunden gedauert. Keiner hätte es gehört,
keiner etwas gesehen.
    Ihr Hals sah so zerbrechlich aus. So
weiß auf dem Hintergrund ihrer roten Locken. Er war immerhin so nahe dran, dass
er ihre Atemzüge hören konnte. Zwei Schritte, ein kräftiger Griff um ihren Kopf,
und dann einfach drehen, schnell und mit Kraft. Wie man einem Huhn den Hals umdreht.
Er hätte ihr aber auch die Hand vor Mund und Nase halten, zudrücken und für die
kurze Zeit, die es dauern würde, ihren Körper mit dem Arm festhalten können und
zusehen, wie das Leben aus ihren Augen entweicht. Es wäre so einfach gewesen.
    Eine Weile schien es, als hätte sie
geahnt, dass er da war. Sie hat sich aufgesetzt und sich unruhig umgeschaut. Es
bestand natürlich das Risiko, dass sie schreien würde. Das wäre ziemliches Pech
gewesen.
    Er wirft einen Blick aus dem Fenster.
Langsam ist es dunkel geworden, diese verdammte Sommerdämmerung, die einen nicht
zur Ruhe kommen lässt.
    Den Ton des Fernsehers hat er leiser
gestellt. Halbnackte Frauen, die sich wie Schlangen um einen Neger in sackartigen
Hosen und mit verkehrt herum aufgesetzter Kappe winden, der dasteht und eine Menge
unbegreifliches Zeug von sich gibt. Pfui Teufel! Er wechselt den Kanal. Zapp! Ein
Idiot rattert neben einem sich drehenden Glücksrad Zahlen herunter. Zapp! Der selbstgefällige
Wetterfritze. Zapp! Shampoowerbung. Zapp! Ein Actionfilm, den er schon dreimal
gesehen hat.
    Er schaltet den Apparat aus und wirft
die Fernbedienung aufs Sofa. Nichts hilft.
    Ich hätte es tun sollen, denkt er.
Ich hätte es, verdammt nochmal, tun sollen.
    Der Hass, woher kommt er? Irgendwann
einmal hat er versucht, sich die Frage zu stellen, aber es gelingt ihm nicht, seine
Gedanken zu sortieren. Seine Seelenqual wird immer größer. Die Wut erschwert es,
klar zu sehen. Aber eigentlich weiß er die Antwort selbst. Es ist nur so ungerecht,
und er ist so verdammt wütend.
    Der Polacke ist zurückgekommen.
    Alles ist seine Schuld.
    Wenn es nicht mehr auszuhalten ist,
so wie jetzt, muss er einfach nur raus. Er öffnet die Haustür, ohne zu wissen, wohin
er gehen will, aber erfüllt von einer Sehnsucht zu töten.
    Ihn zu töten und alles, was ihm gehört.
     
    KAPITEL 31
     
    Das Merkwürdige ist, dass die Ziffern
ihm plötzlich ganz deutlich vor Augen stehen, jetzt, wo sie durch den Wust an Erinnerungen,
die sich im Laufe der Jahre angesammelt haben, in sein Bewusstsein gedrungen sind.
    Blaugraue Tinte auf weißer Haut.
    «A 23 644», steht auf ihrem Unterarm.
    Es muss ihr Blick, die unergründliche
Trauer in ihren Augen gewesen sein, die irgendwo nebelhaft im Hintergrund geschlummert
und dafür gesorgt hat, dass sich die exakte Nummer festgeätzt hat.
    Die Ziffern zeichnen sich scharf ab,
er kann sich gar nicht täuschen. Es steht «A 23 644» dort, und nichts anderes. Was
es zu bedeuten hat, begreift er natürlich nicht. Damals jedenfalls nicht. Oder
begreift er es doch? Auf ihren Wangen kann er keine Tränen sehen. Aber der kleine
Konrad spürt genau, dass seine Mutter innerlich weint.
    Es ist merkwürdig, denkt er jetzt so
viele Jahre später, dass diese Nummer, diese Erinnerung nicht vorher aufgetaucht
ist. Er war immerhin fast sieben Jahre alt, als sie verschwunden ist. Er ging noch
nicht zur Schule, aber er konnte rechnen. Bis hundert, mindestens. Wer hat ihm
das eigentlich beigebracht? Konrad kann sich nicht erinnern, aber es muss wohl Agnes
gewesen sein.
    Wahrscheinlich hat

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