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Laennaeus, Olle

Laennaeus, Olle

Titel: Laennaeus, Olle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das fremde Kind
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sie ihm noch mehr
von sich mitgegeben.
    An diesem Tag prasselt der Regen gegen
das Fenster. Hat es eigentlich immer geregnet, als er klein war? Draußen ist es
grau. Agnes sitzt wie immer am Küchentisch, nur ein paar Meter von ihm entfernt,
aber doch so verdammt weit weg. Sie trägt eine Strickjacke aus dunkler Wolle. Vielleicht
friert sie, denn ihre Lippen sind ein wenig blau. Oder ist ihm selber kalt?
    Die einzigen Geräusche, die er hört,
sind der Regen und eine Uhr, die irgendwo tickt. Sie muss irgendwo hinter ihm an
der Wand hängen, das Zifferblatt sieht er nicht.
    Ticktack. Ticktack.
    Wonach riecht es?
    Zuerst nach nichts. Aber dann nimmt
er einen scharfen Geruch wahr, der in der Luft hängt. Es sticht ein wenig in der
Nase wie Reinigungsmittel. Dennoch ist das Bild eigenartigerweise geruch- und lautlos.
Der Regen, der gegen das Fenster trommelt, die Uhr, die er nicht sieht, und dann
der Geruch nach diesem scharfen Mittel - alles Äußerlichkeiten, die nichts mit der
Sache an sich zu tun haben.
    «A 23 644.»
    Es müssen Kurt Nilssons Worte gewesen
sein, die das Gerumpel der Erinnerungen in Konrads Hirn etwas gelichtet haben,
sodass er die Ziffern plötzlich so deutlich vor sich sieht. Ihm wird übel.
    «Polacken! Wir haben kurzen Prozess
mit ihnen gemacht. »
    Und dann dieser wässrige Blick des
Alten, voller Erstaunen.
    «War diese ... Frau etwa deine Mutter?»
    Doch, es war richtig kalt in der Küche,
daran erinnert sich Konrad jetzt. Die Geranie auf dem Fensterbrett ist abgestorben.
Warum hat sie sie nicht weggeworfen? Konrad fröstelt, und er will Agnes sagen, dass
er friert und Hunger hat. Kann sie ihm nicht ein paar Pfannkuchen backen, mit Marmelade
und Sahne, und ihm heißen Kakao kochen, der die Küche mit Duft erfüllt? Aber es
ist, als höre sie ihn nicht, wie laut er auch quengelt. Er ergreift einen Zipfel
ihrer Strickjacke und zieht an ihm, aber er reißt einfach ab, ohne sie wachzurütteln.
Er nimmt die gestrickte Wolle zwischen seine Finger und reißt und zerrt an ihr,
und er schreit, so laut er kann, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen.
    In dem Moment, als sie sich zu ihm
herunterbeugt und ihre Hand ausstreckt, um ihm über den Kopf zu streichen, gleitet
der Ärmel ihrer Jacke ein Stück hoch, sodass die Nummer direkt vor seinen Augen
auftaucht.
    Mit graublauer Tinte in einen blassen
Unterarm tätowiert.
     
    A ls Konrad seine
Erzählung beendet hat, entsteht eine lange Pause. Sven schaut ihn neugierig an,
wie ein Hypnotiseur, der seinen Patienten gerade wieder ins Bewusstsein zurückgeholt,
oder ein Wissenschaftler, der ein psychologisches Experiment durchgeführt hat und
nicht so recht weiß, wie er das Ergebnis deuten soll. Dann seufzt er tief, nimmt
die Brille ab und putzt sie mit einem Zipfel seines Hemdes.
    «Das menschliche Gehirn ist schon ein
erstaunliches Organ.»
    «Das stimmt...»
    «Und du hast noch nie zuvor an die
Tätowierung gedacht?»
    Konrad schüttelt den Kopf.
    «Ich nehme an, dass du verstehst, was
sie bedeutet», sagt Sven langsam.
    «Ja, das ist ja nicht schwer ...»
    Er führt den Satz nicht zu Ende.
    «Nein, weiß Gott nicht», sagt Sven
stattdessen. «A wie Auschwitz. Pfui Teufel! Sie muss ja noch ein kleines Kind gewesen
sein. Eines von denen, die aus dieser Hölle mit dem Leben davonkamen.»
    «Eine Nummer am Arm. Wie Vieh, das
gebrandmarkt wird. Das ist so ... unmenschlich. Ich begreife einfach nicht, warum
ich mich nicht früher an diese Tätowierung erinnert habe. Ich muss sie ja viele
Male gesehen haben.»
    Konrad nimmt einen großen Schluck des
chinesischen Kräutertees, den Lena vor einer Weile hereingebracht hat. «Yin und
Yang», hat sie gesagt, als sie das Tablett abstellte und vielsagend auf die Symbole
auf den Bechern deutete. «Genau wie Sven und ich. Wir sind wie Gegensätze, aber
dennoch unzertrennlich, wir beflügeln einander. Wir sind Kinder des Regenbogens.»
Was sie nun letztlich damit sagen wollte, ist Konrad nicht wirklich klar geworden.
    Inzwischen ist der Tee kalt und hinterlässt
einen schalen Geschmack im Mund.
    Sven ist aus dem abgewetzten Ledersessel
aufgestanden und beginnt rastlos über den Flickenteppich im Arbeitszimmer hin-
und herzuwandern, während er sich gedankenverloren über seinen Spitzbart streicht.
Dann bleibt er stehen und macht eine ausladende Geste in Richtung der Bücherregale,
die drei Wände des Raums vom Boden bis zur Decke einnehmen.
    «Ich hab vor nicht allzu langer Zeit
ein Buch über dieses Phänomen gelesen», sagt

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