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Laennaeus, Olle

Laennaeus, Olle

Titel: Laennaeus, Olle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das fremde Kind
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Jahre alt, beladen
mit bitteren Erinnerungen und Signes verschlissener braunkarierter Reisetasche,
hat er eine Zugfahrkarte nach Malmö gekauft. Es war am frühen Morgen nach seiner
letzten Nacht in Tomelilla. Die Leere hatte die Wut in seiner Brust verdrängt. Aber
nie im Leben würde er wieder dorthin zurückkehren. Dieses Versprechen, das er sich
selbst gab, war hoch und heilig. Die Erinnerung an Hermans Hammer, den er in der
Nacht fest umschlossen gehalten hatte, ließ er am Bahnhof zurück. Um Haaresbreite
hätte er getötet. Als der Zug den Bahnhof verließ, schaute er nicht zurück.
    «Es ist nur zu deinem Besten, Konrad.
Sobald er dich zu sehen bekommt, wird er dich wahrscheinlich totschlagen.»
    Signes Worte und ihr unglücklicher
Blick blieben noch eine Weile haften. Auch die Umrisse Hermans, der drinnen hinter
dem Küchenfenster gestanden und gewunken hat. Doch bald waren sie für immer verschwunden.
    Warum er ausgerechnet in Oslo anheuerte,
hat er vergessen. Vielleicht hatte er einen Tipp bekommen, vielleicht reichte sein
Geld aber auch nur bis dorthin. Doch der Reeder hat keine Fragen gestellt, und
der Lohn war gut.
    In den ersten Wochen musste er kotzen
wie ein Reiher. Die wettergegerbten Seeleute lachten. Doch er sehnte sich keine
Sekunde lang nach Hause. Und als sie sich zum ersten Mal der Straße von Hormus näherten,
hatte Konrad bereits schwielige Hände wie ein echter Seemann.
    Der Öltanker «Knut Hamsun» fuhr mit
einer Besatzung von sechsundzwanzig Mann. Konrad war der Jüngste, stand aber dennoch
nicht auf der untersten Stufe der Rangordnung; dort standen die philippinischen
Matrosen, egal wie alt sie waren.
    Konrad gefiel das Leben auf See. Alles
Kleingeistige, Engstirnige hatte er hinter sich gelassen. Heimtückische und offen
zur Schau getragene Feindseligkeit. Die bösen Blicke und das Gerede.
    Auf dem Meer war er frei. Zumindest
dachte er das am Anfang. Dort herrschten Zucht und Ordnung, jeder wusste, wer das
Sagen hatte, und wenn es mal hitzig wurde, war es meistens besser, die Klappe zu
halten.
    Die Tankschiffe und Frachter führten
ihn an Orte, von denen er bislang nur hatte träumen können. Er kam nach New York
und Rio, Rotterdam und Akaba und ziemlich oft hinunter in den Persischen Golf.
    Dennoch wurde es Konrad schließlich
zu langweilig. Nach sieben Jahren hatte er genug. Nicht von der Schufterei, sondern
eher von der Langsamkeit. Die meiste Zeit über sah er ja nur Himmel und Meer. Ein
Tag glich dem anderen. Außerdem hatte er zu viel Zeit zum Nachdenken. Das Einzige,
was variierte, waren die Nuancen in den Sonnenuntergängen.
    Die Kälte im Norden und die heftig
wütenden Stürme. Die Schiffe, die ungerührt die grauen Wassermassen durchpflügten.
    All das hat er verinnerlicht.
    Aber noch öfter denkt Konrad an den
frischen Wind, der für Abkühlung sorgte. Und wenn es im Sommer richtig heiß wird,
sehnt er sich immer nach dem Meer.
     
    Es ist fast wie eine Befreiung, als
Eva Ström anruft und ihn bittet, hinunter nach Ystad zu fahren. Das Thermometer
im Foyer des Hotels zeigt siebenundzwanzig Grad im Schatten an, obwohl es noch
früher Morgen ist.
    «Es sind nur noch ein paar Fragen zu
klären», erläutert sie.
    «Klingt ja unkompliziert», antwortet
er beruhigt und steckt sein Handy wieder in die Tasche.
    Auf dem Weg nach draußen wirft er einen
Blick in die Lobby, um zu sehen, ob Gertrud da ist, aber er entdeckt sie nicht.
Konrad hat seit seinem ersten Morgen im Hotel nicht mehr mit ihr gesprochen. Und
sie nach der Kundgebung auf dem Marktplatz nur flüchtig gesehen.
    Von Tomelilla bis hinunter zur Südküste
sind es nicht mehr als fünfzehn Kilometer Luftlinie. Er braucht eine gute Viertelstunde,
bis er vom Ort aus in Richtung Süden abgebogen, an der Kirche von Benestad vorbeigefahren
ist und schließlich mit heruntergelassenen Seitenscheiben Ystad erreicht, wo er
am alten Wasserturm vorbeikommt, der an eine Nuckelflasche erinnert. Er parkt den
Opel vor dem Polizeigebäude und betrachtet die hässliche Ziegelfassade, bevor er
den Eingang betritt.
    An der Rezeption sitzt eine einsame
uniformierte Frau. Sie hat das nachlässig zu einem Knoten hochgesteckte Haar mit
einem Stift zusammengehalten und wirkt unendlich gelangweilt. Konrad widersteht
einem inneren Impuls, nach Kurt Wallander zu fragen. Für eine Sekunde sieht er die
aufgedunsene Gestalt des Kommissars aus dem Pausenraum am Ende des Korridors schlurfend
auf sich zukommen.
    «Eva Ström», sagt er stattdessen.

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