Laennaeus, Olle
«Ich
suche Eva Ström.»
«Und wer sind Sie, wenn ich fragen
darf?»
Die Rezeptionistin beendet ihre Frage
mit offenstehendem Mund, als hätte sie Bedenken, dass ihr die Antwort entgehen
könnte, während sie kaut. Auf dem Tresen liegt eine Schachtel mit Nikotinkaugummi.
Sie macht einen ungeduldigen Eindruck.
«Konrad Jonsson. Sie hat mich gebeten
zu kommen.»
«Setzen Sie sich!», sagt die Frau im
Befehlston und nickt in Richtung einer schwarzen Ledersitzgruppe unter einem Schwarzen
Brett.
Sie nimmt den Telefonhörer ab, doch
bevor Konrad Platz nehmen kann, fliegt auch schon eine der schusssicheren Glastüren
auf. Eva Ström scheint es eilig zu haben. Sie sieht bedeutend strenger aus als beim
letzten Mal. Nimmt sich kaum Zeit, ihn zu begrüßen.
«Sie werden mit dem Kommissar sprechen
müssen», klärt sie ihn auf.
«Wallander?», entfährt es ihm.
Sie kneift ihre schrägstehenden Augen
zusammen, sodass ihr Gesicht noch breiter wirkt. Konrad kann nicht ausmachen, ob
es ein Lächeln darstellen soll. Vielleicht hat sie ja Eskimoblut in den Adern, denkt
er.
«Wohl kaum», entgegnet Eva Ström. «Eher
genau das Gegenteil. Na ja, wenn man das so sagen kann. Er heißt Björn Bernhardsson.
Und raten Sie mal, ob er diese Wallanderwitze wohl schon kennt?»
Zu seinem Erstaunen wird Konrad nicht
ins Dienstzimmer des Kommissars geführt. Allerdings auch nicht in ein Vernehmungszimmer,
in dem Polizisten, Zeugen und Opfer von Gewaltverbrechen ihn durch dunkelgetönte
Scheiben beobachten können. Ein großer ovaler Tisch aus heller Birke ist das Erste,
was er sieht, als Eva Ström die Tür öffnet. Dahinter ein Flipchart. Darauf hat
jemand mit einem Filzstift kreuz und quer Pfeile gemalt und diese mit Ziffern versehen.
Vielleicht ein Plan für eine Razzia. Konrad nimmt an, dass er sich in einer Art
Konferenzraum befindet. Vielleicht wollen sie ihn in Sicherheit wiegen, bevor die
Falle zuschnappt. Zumindest hat der Raum eine Klimaanlage und ist angenehm kühl.
Bernhardsson hat bereits Platz genommen.
Als Konrad ihn erblickt, versteht er, was Eva Ström gemeint hat.
Der Kommissar ist extrem klein. Er
ist schmal und drahtig, und sein kahler, buckliger Schädel lässt ihn wie ein Reptil
aussehen. Bernhardsson trägt ein blütenweißes Hemd, eine limonengrüne Seidenkrawatte
und darüber einen Nadel-Streifenanzug, der teuer aussieht. Sein giftiger Blick macht
deutlich, dass er nicht zu Scherzen aufgelegt ist. Weder heute noch an irgendeinem
anderen Tag.
«Kaffee?»
Bernhardsson muss so um die sechzig
sein, klingt aber wie ein Junge, der noch nicht in den Stimmbruch gekommen ist.
Konrad nickt und nimmt den braunen Pappbecher entgegen. Eva Ström hebt abwehrend
die Hand.
«Polizistenmagen. Ich trinke möglichst
nur zwei Becher am Tag», erklärt sie und sinkt in den Sessel neben der Tür.
Bernhardsson nippt an seinem dampfenden
Kaffee. Er hat seinen eigenen Keramikbecher aus seinem Arbeitszimmer mitgebracht.
Darauf steht «Opa ist der Beste». Er mustert Konrad über den Rand hinweg mit einem
forschenden Blick.
«Wir haben alle Hände voll zu tun»,
sagt der Kommissar einleitend. «Ermitteln in vier Todesfällen gleichzeitig. Das
entspricht nicht unbedingt dem normalen Pensum hier in Ystad.»
Er deutet mit dem Becher auf einen
Stuhl und setzt sich selbst auf einen anderen. Eine Ahnung zu nahe für Konrads
Empfinden. Bernhardsson verzieht das Gesicht, kann aber einen gedämpften Rülpser
nicht unterdrücken. Konrad schiebt seinen Stuhl diskret ein Stück nach hinten,
um seinem Atem zu entgehen.
«Sie haben Kriminalinspektorin Eva
Ström ja bereits kennengelernt. Wir müssen allerdings noch ein paar Dinge komplettieren.
Tatsache ist, dass wir aus den Morden an Ihren ... Adoptiveltern nicht ganz schlau
werden.»
«Sie haben noch keine heiße Spur?»
Bernhardsson ignoriert seine Frage.
Er zieht ein paar Papiere aus einer braunen Mappe.
«Ich möchte gern, dass Sie mir detailliert
aufschlüsseln, was Sie am zwölften und am dreizehnten Juni gemacht haben. In der
Nacht auf den Dreizehnten wurden nämlich Herman und Signe Jönsson umgebracht.»
Sein Blick ist unmissverständlich.
Der Kommissar ist eine giftige Eidechse, auf der Jagd nach Beute. Das geringste
Gestammel oder irgendwelche Ausflüchte, und er wird zuschnappen. Konrad spürt,
wie sich sein Magen zusammenzieht.
«Das hab ich doch bereits gesagt»,
verteidigt er sich, bereut aber sofort, dass er nicht einfach getan, wie ihm geheißen
wurde.
Bernhardsson
Weitere Kostenlose Bücher