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Laennaeus, Olle

Laennaeus, Olle

Titel: Laennaeus, Olle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das fremde Kind
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Hitze durchs
Fenster, geradewegs in Konrads Gesicht. Es brennt in seinem Schädel, und wenn er
die Augen fest schließt, sieht er hellrote Sterne. Er streckt sich blind nach seiner
Unterhose, setzt sich auf die Bettkante und horcht. Kratzt sich verschlafen an einem
Mückenstich am Bein.
    Im Haus ist es still. Herman muss schon
vor Stunden zum Schlachthof geradelt und Signe wohl irgendwohin zum Putzen gegangen
sein.
    Er zieht sich an. Die Geräusche der
letzten Nacht spuken ihm noch immer im Kopf herum, und es gelingt ihm nicht, die
Unlust abzuschütteln.
    In der Spüle stehen mehrere schmutzige
Teller. Nicht gerade Signes Art, sie einfach stehen zu lassen. Konrad schaut aus
dem Fenster und sieht, dass der Amazon weg ist. Er holt sich die Cornflakes aus
der Speisekammer und Milch aus dem Kühlschrank. Zum tausendsten Mal liest er auf
dem Stickbild: «Hochmut kommt vor dem Fall». Nisse, der graugesprenkelte Kater,
hüpft lautlos von der Küchenbank und streicht mit krummem Rücken an seinem Bein
entlang. Konrad krault ihn flüchtig hinterm Ohr.
    In dem Moment, als er den letzten Löffel
Cornflakes zum Mund führt, hört er ein leises Schniefen durch das offene Fenster.
    Er steht auf und schaut hinaus. Zuerst
sieht er nichts. Auf der Rasenfläche unter dem Apfelbaum ist niemand. Auch auf der
Straße hinter dem Rosenbeet und dem rotgestrichenen Holzzaun sieht er keinen Menschen.
    Doch dann hört er erneut ein Schniefen
und entdeckt Janet. Sie sitzt im Schatten auf dem Boden, direkt am Geräteschuppen.
Mit dem Rücken an die Bretterwand gelehnt, die Arme um ihre angezogenen Beine gelegt
und das Gesicht gegen die Knie gepresst.
    «Was ist denn, Janet?», ruft er durchs
Fenster.
    Sie schaut auf.
    «Nichts, was dich etwas angehen würde,
du verdammter kleiner Scheißer!»
    Ihre Augen sind rot geweint, und ihre
schwarze Mascara ist bis auf die Wangen heruntergelaufen.
    Noch bevor Konrad nachdenken kann,
ist er aus der Tür und die Treppe vor dem Haus hinuntergesprungen. Er bleibt ein
paar Meter entfernt stehen. Sein Herz klopft aufgeregt. Er möchte ihr goldblondes
Haar berühren, traut sich jedoch nicht recht.
    «Tut mir leid», sagt sie und blickt
ihn flüchtig an. «Was ist denn passiert?»
    Sie schüttelt ihre Locken und verbirgt
den Kopf dann wieder zwischen ihren Armen. Konrad schleicht sich näher. Setzt sich
neben sie und spürt die groben Bretter des Schuppens an seinem Rückgrat.
    «Ich will ihn nie wieder sehen», hört
er sie nuscheln.
    «Wen denn?», fragt Konrad, auch wenn
er genau weiß, wen sie meint. Er ahnt, dass sich eine Katastrophe anbahnt. Worum
es geht, begreift er allerdings nicht. Nur, dass etwas Schreckliches passiert sein
muss. Etwas, das nicht ungeschehen gemacht werden kann.
    In seinem Kopf hört er wieder die nächtlichen
Geräusche.
    «Hat er dich geschlagen ... Hat er
dir wehgetan, heute Nacht?»
    Sie schaut erneut mit geschwollenen
Augen auf; das Leuchten ist verschwunden. «Hast du was gehört?»
    Konrad zuckt mit den Achseln und starrt
in Richtung der Straßenecke, als warte er darauf, dass jemand kommt.
    Janet lächelt müde mit tränenden Augen.
    «Das geht dich gar nichts an. Das ist
nur was für Erwachsene ...»
    «Weiß ich ja ...»
    Doch Konrad weiß überhaupt nichts.
Tausend Fragen gehen ihm im Kopf herum. Wenn es nicht die schrecklichen Geräusche
waren, weshalb war sie dann so traurig?
    Vorsichtig, als würde er eine Bombe
entschärfen, berührt er mit den Fingerspitzen ihr Haar. Ihr Nacken spannt sich an,
aber sie lässt ihn gewähren. Er wird mutiger, streicht ihr über die weichen Locken,
krault sie hinter dem Ohr, wie er es vorhin beim Kater getan hat.
    «Es fühlt sich gut an, wenn du das
machst», sagt sie.
    Ein schwacher Wind lässt die Blätter
im Apfelbaum rascheln. Eine Hummel summt friedlich im Lavendelstrauch. Sie sitzen
eine ganze Weile schweigend da. Dann wird die Stille vom Zug nach Ystad unterbrochen,
der auf dem Gleis hinter dem Haus vorbeidonnert. Sie horchen, bis das Getöse auf
den Schienen in der Ferne abebbt.
    Plötzlich ergreift sie fest seine Hand.
    Ihr Blick heftet sich auf sein Gesicht.
Er ist schwarz wie das Höllenloch, in dem sie letzte Nacht gewesen sein muss. Konrad
bekommt es mit der Angst zu tun, als er ihn erwidert.
    «Es ist nicht so, wie du denkst», sagt
sie. «Was du heute Nacht gehört hast, hat nichts zu bedeuten. Es ist ... nichts.»
    Er sieht ihr an, dass sie sich die
Worte im Kopf zurechtlegt. Fühlt sich hilflos.
    «Es geht um was

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